Gabriel: Kein Rettungsschirm für alle Kraftwerke

Berlin (dpa) - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will notfalls auch klimaschädliche Kohlekraftwerke mit Sondervergütungen am Netz halten.

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„Meine Vorstellung ist, dass wir das technologieneutral machen“, sagte Gabriel der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die geplante Kraftwerks-Reform. Sie gilt als notwendig, damit es nicht zu Engpässen kommt, wenn zu viele Kraftwerke stillgelegt werden. Wegen großer Überkapazitäten könne dies aber nicht für alle Anlagen gelten, betonte Gabriel: „Es wird keine Überlebensgarantie für Kraftwerke geben.“ Sonst bezahle der Stromkunde überflüssige Kraftwerke.

Aus Klimaschutzgründen sollen vor allem Gaskraftwerke als Ergänzung zu erneuerbaren Energien dienen. Doch diese stehen derzeit oft still, während Kohlekraftwerke wegen eines sehr niedrigen Preises für CO2-Verschmutzungsrechte besser ausgelastet sind. Grüne, Teile der Linken und Umweltschützer fordern eine Abkehr vom Kohlestrom und keine neuen Hilfen, weil trotz über 20 Milliarden Euro Ökostrom-Förderung im Jahr der CO2-Ausstoß zuletzt gestiegen ist.

Oliver Krischer, Vize-Vorsitzender der Grünenfraktion im Bundestag, warf Gabriel vor, dieser wolle das Geschäftsmodell der Kohlekraftwerksbetreiber retten. „Es kann nicht sein, dass nagelneue und hocheffziente Gaskraftwerke still stehen, während Methusalem-Kohlekraftwerke aus den 1960er Jahren rund
um die Uhr laufen“, so Krischer in einer Stellungnahme,

Bei der anstehenden Reform geht es um finanzielle Anreize für Kraftwerke, die sich bei viel Ökostrom nicht mehr rechnen, aber für die Versorgungssicherheit gerade im Winter weiter gebraucht werden. Über Kapazitätsmechanismen könnte es neben der Bezahlung des produzierten Stroms finanzielle Zusatzprämien für Kraftwerke geben, die rund um die Uhr eine feste Strommenge garantieren können - anders als Sonne und Wind. Man müsse diesen ganzen Mechanismus nachfrageorientiert debattieren, so Gabriel. „Sonst bezahlt der Stromkunde Kraftwerke, die wir nicht brauchen.“

Es sei zwar in der Natur der Sache, dass Gaskraftwerke effizienter seien, auch weil sie schneller rauf und runter fahren könnten. Ihre Wirtschaftlichkeit hänge aber am CO2-Preis: „Wenn der im Keller ist, dann hilft uns das nichts“, meinte Gabriel mit Blick auf die Krise des EU-Emissionshandels, der Kohlekraftwerke lukrativer macht. Die Gasverstromung ist bundesweit eingebrochen.

Zur Steigerung des CO2-Preises - und damit der Rentabilität von Gaskraftwerken - setzt Gabriel auf die EU. Man müsse sich auf ein ambitioniertes Ziel zu Verringerung der Treibhausgase bis 2030 einigen, sagte der Minister. „Ein starkes und verbindliches Reduktionsziel von 40 Prozent ist das wichtigste Preissignal für den Emissionshandel.“

Gabriel betonte, „dass ein Kapazitätsmechanismus sinnvollerweise kein allein deutscher wird“. Er sei darüber mit den europäischen Kollegen im Gespräch. „Im Extremfall reden wir über ein Kraftwerk, dass 364 Tage im Jahr stillsteht und an einem Tag gebraucht wird, wenn nicht genug Wind oder Sonne da ist.“ Es sei nicht sinnvoll, das selbst vorzuhalten, sondern zu vereinbaren, welches Kraftwerk im Ausland zur Verfügung stehen könnte.

Als Zeitrahmen für die Gesetzgebung nannte Gabriel das Jahr 2016. Schnellere Entscheidungen seien gefährlich: „Schnell heißt hier: es wird sehr teuer. Denn natürlich sind da auch starke Lobbyinteressen im Spiel.“

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) als Vertreter der Stadtwerke mahnte eine rasche Reform an und wies Sorgen vor deutlich steigenden Strompreisen zurück. „Wir brauchen eine Versicherung für Versorgungssicherheit, die Bereitstellung von Leistung muss entsprechend honoriert werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. „Der Markt garantiert, dass Versorgungssicherheit auf dem wirtschaftlich günstigstem Wege gesichert wird.“