Gauck — der Präsident aus der Mitte der Bevölkerung
Das neue Staatsoberhaupt wird zwar erst am Freitag vereidigt, nimmt aber bereits am Montag die Amtsgeschäfte auf.
Berlin. Die Erwartungen sind nach zwei gescheiterten Präsidentschaften gewaltig — aber als „Heilsbringer“ sieht er sich nicht: Der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck ist am Sonntag als erster Ostdeutscher zum Bundespräsidenten gewählt worden. Die Bundesversammlung in Berlin kürte den 72-Jährigen mit großer Mehrheit zum Nachfolger des im Februar zurückgetretenen Christian Wulff.
In einer kurzen Rede nach der Annahme seiner Wahl versicherte Gauck: „Ich werde mit all meinen Kräften und meinem Herzen „Ja“ sagen zu der Verantwortung, die Sie mir heute gegeben haben.“
Im Sender n-tv betonte er: „Liebe Leute, ihr wisst es doch genau: Ihr habt keinen Heilsbringer oder keinen Heiligen oder keinen Engel, ihr habt einen Menschen aus der Mitte der Bevölkerung als Bundespräsidenten.“ Er wolle die Menschen motivieren zu mehr Verantwortung — unter anderem solche, die nicht zur Wahl gehen.
Gauck erhielt 991 von 1228 gültigen Stimmen, das entspricht einer Zustimmung von gut 80 Prozent. Jedoch verweigerten ihm mindestens 103 Delegierte aus dem eigenen Lager — CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne — ihre Unterstützung. Für Gaucks von der Linken nominierten Gegenkandidatin Beate Klarsfeld votierten 126 Delegierte.
Gauck nimmt am Montag die Amtsgeschäfte auf. Die Vereidigung ist für den nächsten Freitag vorgesehen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es könne durchaus vorkommen, dass Gauck etwas kritisch sehe. „Es geht jetzt hier nicht um irgendwelche Erziehungsmethoden, sondern um Meinungsäußerungen, aus denen im übrigen eine Demokratie meistens gestärkt herauskommt.“ Die CDU-Chefin hatte sich zunächst gegen Gauck als Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen, wurde dann aber vom Koalitionspartner FDP gedrängt, sich anders zu entscheiden. dpa