Ein guter Tag für das vereinte Deutschland
Gauck geht mit großer Rückendeckung ins Präsidentenamt.
Joachim Gauck ist gewählt. Deutschland hat wieder einen Bundespräsidenten. Und diesmal einen, der sich auf eine breite Mehrheit stützen kann. Fast 1000 von 1240 möglichen Stimmen sprechen dafür, dass auch die meisten in der Regierungskoalition ihren Frieden mit dem Pfarrer aus Mecklenburg-Vorpommern gemacht haben.
Dass 103 Wahlmänner aus dem eigenen Lager ihm die Gefolgschaft versagten, mag mit den Wunden zu tun haben, die das Gezerre um die Wahl und den Rücktritt von Gaucks Vorgänger Christian Wulff hinterlassen haben. Diese Randnotiz kann das Ergebnis nicht trüben.
Nach seiner Wahl hat Joachim Gauck zu Recht von einem schönen Sonntag gesprochen. Zwar erinnerte er damit eigentlich an die erste freie Wahl in der damaligen DDR vor 22 Jahren. Aber der Tag gestern war auch für das vereinigte Deutschland schön. Die Mehrheit, mit der Gauck ins Amt gewählt wurde, verheißt, dass die Präsidentschaft des 72 Jahre alten Mannes aus Rostock eine gute werden wird, eine Zeit ohne Suche nach Brüchen, die sich zu Zweifeln oder gar zu Skandalen auswachsen. Die Politik sehnt sich offenbar nach einer Instanz im Staat, die Korrektiv sein kann und unbestechliche Verbindung zum Volk. Das Volk sehnt sich nach einem, der die Mächtigen zur Räson ruft, wenn sie sich zu weit von den Interessen der Regierten entfernen.
Nein, Gauck wird kein perfekter Präsident sein. Das hat er in seiner Dankesrede eingeräumt, als er von Erwartungen sprach, die er nicht alle werde erfüllen können. Er ist auch keiner, der wie etwa Richard von Weizsäcker oder Roman Herzog schon dank Ausstrahlung Mehrheiten hinter sich bringt. Er ist ein Redner, vielleicht bisweilen sogar ein Überreder, dessen Hauptthema die Freiheit ist. Dagegen ist nichts einzuwenden. Denn Freiheit ist alles, und ohne Freiheit ist alles nichts.
Wenn Gaucks Begriff von Freiheit auch die Ideen derer umfasst, die mit Kraft und Leidenschaft etwas aus ihrem Leben machen wollen, ohne gegängelt zu werden, und gleichzeitig jene nicht vergisst, die ohne die Hilfe der Gesellschaft kein angemessenes Leben in Freiheit führen können, dann wird er wirklich ein Bürgerpräsident sein. Dann wird er auch die überzeugen, die ihn heute noch für eitel, hartherzig und für zu intellektuell halten.