Geheimdienste rüsten auf gegen Terror und Cyber-Attacken
Berlin (dpa) - Die deutschen Geheimdienste stehen angesichts moderner Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus und staatlich unterstützte Cyber-Attacken vor einem beispiellosen Aufrüst-Programm.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sollen insgesamt mit Zusatz-Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe für den Kampf gegen die neuen Herausforderungen fit gemacht werden.
Scharfe Kritik kam aus der Linksfraktion. Deren Vizevorsitzender Jan Korte warnte in Berlin: „Die große Koalition marschiert ganz offensichtlich unbeirrt weiter in Richtung Überwachungsstaat.“
Der aus NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ bestehende Rechercheverbund hatte erstmals über Details aus den geplanten Maßnahmen berichtet. Der Verbund bezieht sich auf von ihm eingesehene geheime Haushaltsunterlagen. Unter anderem wollen die Geheimdienste das Dechiffrieren verschlüsselter Kommunikation ausbauen.
Wesentliche Punkte der geplanten Aufrüstung:
- „Strategische Initiative Technik“ des BND: Die darin enthaltenen Maßnahmenpakete reichen nach dpa-Informationen vom System zur Früherkennung von Cyber-Attacken bis zum besseren Schutz für im Ausland eingesetzte Spione. Zentrales Element ist ein Frühwarnsystem, das Deutschland erstmals in die Lage versetzen soll, Angriffe auf IT-Infrastruktur zu erkennen, bevor diese Schaden anrichten können.
Ein spezielles System soll Bedrohungen über das Internet vorbeugen. Betreiber kritischer Infrastruktur im Energie-, Wasserversorgungs- oder Telekommunikationsbereich, die von Cyber-Attacken besonders bedroht sind, sollen frühzeitig gewarnt werden können.
- Weitere Maßnahmenpakete umfassen Analysekonzepte zur Aufbereitung und Verknüpfung vorhandener Datenbestände. Spezielle Umweltsensoren sollen beispielsweise Angriffe mit chemischen oder biologischen Waffen entdecken können. Besondere Schutzmaßnahmen gelten der Absicherung der Informations- und Kommunikationssysteme.
- Kosten: Laut dem Entwurf für den Haushaltsplan 2017 rechnet das BfV mit einem Budget von gut 307 Millionen Euro - das sind etwa 18 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Für den BND sind knapp 808 Millionen Euro veranschlagt - eine Steigerung von rund zwölf Prozent. Über die Gelder müssen die für die Geheimdienste zuständigen Experten des Vertrauensgremiums im Bundestag noch entscheiden.
- Kommunikation im Netz: Laut NDR, WDR und „SZ“ will der BND rund 73 Millionen Euro in langfristige Projekte zur Überwachung von sozialen Medien stecken. 21,25 Millionen Euro sollen 2017 in das Projekt „Panos“ fließen. Der BND will auf die verbreitete Nutzung von Messenger-Diensten wie WhatsApp reagieren. Derzeit können die Spione oft nicht mitlesen, wenn Terroristen über Messenger-Dienste kommunizieren, weil die Nachrichten verschlüsselt werden.
Laut NDR, WDR und „SZ“ heißt es in geheimen Unterlagen: „[Die Verschlüsselung] hat zur Folge, dass der BND von aktuell weit über 70 verfügbaren Kommunikationsdiensten mit entsprechender Verbreitung nur weniger als zehn [...] erfassen und inhaltlich erschließen kann.“
Satellitentelefonie: In den Gebieten der IS-Terrormiliz oder in Afghanistan kommunizieren Terroristen oft via Satellit. Im bayerischen Bad Aibling verfügt der BND über Abhöreinrichtungen, mit denen diese Kommunikation überwacht werden kann.
Nach dem Medienbericht will der BND rund 2,1 Millionen Euro in ein neues Projekt zum Abfangen von Satellitentelefonaten stecken. Das Programm „Zerberus“ (in der griechischen Mythologie wer Zerberus der Hund, der den Eingang zur Unterwelt bewacht) soll helfen, „angesichts des schnellen technologischen Fortschritts auch künftig in moderne Telekommunikationssysteme eindringen zu können“.
Der BND listet auch die Erweiterung der G10-Kabelerfassung im Inland auf. Gemeint ist das Abhören von Internet-Verkehr etwa am Knotenpunkt in Frankfurt. Für „Zerberus“ sind 2017 knapp 0,7 Millionen Euro vorgesehen. In den Vorjahren waren dafür schon rund 8,8 Millionen Euro ausgegeben worden, schreibt der Rechercheverbund.
Was plant der Verfassungsschutz?
Der Rechercheverbund rechnet vor, dass sich das Jahresbudget des BfV im Vergleich zum Jahr 2000 verdreifachen würde, wenn der Entwurf genehmigt wird. Vor allem die Ausstattung der Referatsgruppe 3a bleibe unklar - hinter der Abteilung seien zuletzt viel kritisierte Projekte zur Internet-Überwachung versteckt worden. Schon für 2016 habe das BfV 470 neue Planstellen genehmigt bekommen. Nun wolle der Verfassungsschutz weitere 100 Mitarbeiter zur Überwachung von Extremisten und zum Ausbau der Cyberabwehr einstellen.