Gesundheit: Private Kassen suchen sich ihre Versicherten aus

Nach dem Vorstoß von Minister Bahr ist die Debatte um das Kassensystem und die Zwei-Klassen-Medizin neu entbrannt.

Berlin. Die Private Krankenversicherung (PKV) bangt um ihre Zukunft: SPD, Grüne und Linke halten sie für überholt und wollen sie durch eine Bürgerversicherung ersetzen, in die alle solidarisch einzahlen. Selbst in der Union gibt es Stimmen, die über einen Systemwechsel öffentlich nachdenken.

Die Gesetzliche und die Private Krankenversicherung sind zwei unterschiedliche Systeme, die seit Jahrzehnten nebeneinander bestehen und wenig gemeinsam haben.

Insgesamt haben in Deutschland knapp neun Millionen Menschen eine private Krankenvollversicherung.

Die PKV nimmt nicht jeden. Voraussetzung ist ein vergleichsweise hohes Einkommen von derzeit mindestens 52 200 Euro brutto im Jahr (nur Beamte sind von dieser Einkommensgrenze ausgenommen). Doch selbst Gutverdiener können nicht automatisch Privatversicherte werden: Wer zu viele Vorerkrankungen hat und damit als „schlechtes Risiko“ gilt, kann entweder abgelehnt werden oder wird nur mit hohen Risikozuschlägen versichert.

Nein. Die Beiträge werden als eine Art Kopfpauschale individuell festgesetzt. Junge Gutverdiener werden oft mit niedrigen Prämien gelockt. Sie steigen mit zunehmendem Alter, häufig auch sprunghaft.

Grundsätzlich schon, wenn es sich nicht um einen Notfall handelt. Privatpatienten werden in Arztpraxen nicht selten vorgezogen, weil die Mediziner bei ihnen höhere Honorare als bei Kassenpatienten abrechnen können. Kritiker sprechen von einer Zwei-Klassen-Medizin.

Die GKV versichert jeden, und zwar unabhängig von Gesundheitszustand und Einkommen. Insgesamt sind das etwa 70 Millionen Bürger, davon rund 20 Millionen kostenfrei mitversicherte Familienangehörige.

Die Beiträge bemessen sich am Einkommen. Bis zur Einkommensgrenze von jährlich 52 200 Euro müssen gesetzlich Versicherte 8,2 Prozent vom Brutto an die Krankenkassen abführen, der Arbeitgeber 7,3 Prozent. Ein niedriges Einkommen führt also zu einer niedrigen Prämie. Der Beitragssatz ist politisch festgelegt und wird von allen Kassen einheitlich erhoben. Die Leistungen sind für alle GKV-Versicherten gleich.

Weil sie nur Beamte und gesunde Gutverdiener versichern, sehen sich die Privatkassen dem Vorwurf der „Rosinenpickerei“ ausgesetzt: Leidtragende sei — so die Kritiker — die solidarisch finanzierte GKV.

Wer einmal in die PKV übergewechselt ist, kommt nur schwer in die GKV zurück. Möglich ist dies nur, wenn man arbeitslos wird oder einen Job mit einem Einkommen unter der Pflichtversicherungsgrenze annimmt.