Der kesse Vorstoß des Gesundheitsministers
Die vorgeschlagene Öffnung privater Kassen für alle verblüfft
Düsseldorf. Wahrscheinlich unabsichtlich hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den eher inhaltsarmen Wahlkampf mit einem frischen Thema bereichert. Seine — bei einem Gespräch mit Schülerreportern vorgetragene — Idee zur Krankenversicherung verblüfft.
Denn die allgemeine Stimmung bezweifelt eher das Existenzrecht der privaten Vollversicherungen, der Trend neigt sich in Richtung Bürgerversicherung. Bahr kehrt das kess um, wenn er die privaten Kassen jetzt für alle öffnen will, also auch für Arbeitnehmer, die weniger als 4350 Euro im Monat verdienen.
Zustimmung erhielt er dafür fast nur von den Versicherungsunternehmen. Dass die Opposition ihm vorwirft, als Lobbyist breite Bevölkerungsteile mit diesem Konzept in eine Armutsfalle zu treiben, war zu erwarten. Überraschender ist die distanzierte Haltung der Union. Offenbar hatte Bahr seinen Vorstoß in der Koalition nicht abgestimmt — und wahrscheinlich ist auch sein Konzept gar nicht ausgereift.
Denn es gibt unzählige Fallen, wenn jeder frei entscheiden kann, ob er privat oder gesetzlich versichert sein möchte. Vor allem für Geringverdiener kann das, wenn die Prämien steigen und zeitgleich sogar das Einkommen sinkt, in ein finanzielles Desaster führen.
Der Ausweg, dass der Staat dem mit einem Risikoausgleich vorbaut, wäre auch keine Lösung. Denn das hieße, die private Versicherung so zu reglementieren, dass sie den gesetzlichen Kassen sehr ähnlich würde. Was nicht Bahrs Ziel sein kann.
Es spricht also vieles dafür, dass dem Gesundheitsminister seine Idee vorschnell herausrutschte. Zu viel ist noch zu klären. Wobei, auch wenn die FDP in der nächsten Legislaturperiode wieder mitregiert, die Chance auf eine Umsetzung gering ist. Die Liberalen wären als Juniorpartner zu schwach, zumal es sogar in der Union Fans einer Einheitskasse gibt.
Doch auch wenn künftige Lösungen ganz anders aussehen werden, hat Bahrs Vorstoß ein paar gute Seiten: Immerhin macht er darauf aufmerksam, dass die um sich greifende Vollkasko-Mentalität im Gesundheitswesen Tücken hat. Allein schon, wenn jeder Versicherte automatisch über die Höhe der Arztrechnungen informiert würde, wäre viel erreicht.