Gesundheitsreform kommt: Mehr Zusatzbeiträge drohen

Berlin (dpa) - Im neuen Jahr müssen wohl mehr gesetzlich Krankenversicherte als bisher Zusatzbeiträge zahlen. Das geht aus Angaben des Bundesversicherungsamts (BVA) hervor.

Trotz der Milliarden-Zusatzeinnahmen aus der ab 1. Januar geltenden Gesundheitsreform kommen viele Kassen anders nicht über die Runden. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) rief die Versicherten zu einem Wechsel auf, falls ihre alte Kasse zusätzliche Gebühren erhebe.

„Es wird genügend Kassen ohne Zusatzbeiträge geben“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“ (Donnerstag). Zugleich warnte Rösler in der „Bild“-Zeitung (Donnerstag) die Ärzte vor einer Zweiklassenmedizin. Er zeigte sich aufgeschlossen für den CDU-Vorschlag, Kassenpatienten künftig nur noch Zwei-Bett-Zimmer anzubieten. Die SPD warf der Regierung vor, den Bürgern gleich mehrfach in die Tasche zu greifen.

Rösler sagte der „Bild“: „Ärzte und Patienten müssen wissen, dass gesetzlich Versicherte dasselbe Recht auf prompte Behandlung wie privat Versicherte haben.“ Er rate Patienten, sich vom Hausarzt eine Überweisung für den Facharzt zu holen. „Das geht oft schneller.“

Wie der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn ist auch Rösler für mehr Zwei-Bett-Zimmer in Kliniken. „Das Ziel, auch gesetzlich Versicherte nur noch in Zwei-Bett-Zimmern unterzubringen, ist ein guter Ansatz.“ Das stärke den Wettbewerb. Rösler: „Denn ein Krankenhaus mit Zwei- Bett-Zimmern hat eine höhere Anziehungskraft als andere.“

Die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig kritisierte die schwarz-gelbe Reform als „Teil der größten Nettolüge, die unser Land je erlebt hat“. Die von der Opposition geforderte Bürgerversicherung lehnt Rösler jedoch ab. „Das ist reines Blendwerk. Opposition und Gewerkschaften führen Debatten von gestern“, sagte er.

Als „relativ stabil“ bezeichnete BVA-Präsident Maximilian Gaßner die Finanzentwicklung der gesetzlichen Kassen 2011. Der Beitragssatzanstieg von 14,9 auf 15,5 Prozent, Einsparungen sowie Steuergeld gleichen ein Neun-Milliarden-Euro-Defizit der Kassen aus.

Dennoch müssen bereits 2011 wahrscheinlich mehr Kassenmitglieder Zusatzbeiträge zahlen. Die 13 bundesweiten Kassen mit Zusatzbeitrag verlangen bis auf eine wohl alle den Aufschlag weiter, wie Gaßner der Nachrichtenagentur dpa sagte. Die eine oder andere Kasse müsse ihn eventuell leicht anheben. „Es werden auch noch vereinzelt welche dazukommen.“

Die Obergrenze beim Zusatzbeitrag von einem Prozent des Einkommens entfällt mit der Reform im Grundsatz. Allerdings bekommen Versicherte künftig Geld zurück, wenn der durchschnittlich von allen Kassen benötigte Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens eines Kassenmitglieds übersteigt. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) rechnet damit, dass 2013 mehrere Kassen diese Beiträge neu erheben müssen. „Wir werden das exakt beobachten“, sagte er der dpa.

Problematisch für manche Kasse beim Zusatzbeitrag ist, dass viele Betroffene das Geld nicht überweisen. „Die Akzeptanzprobleme bei den 13 Kassen, die jetzt Zusatzbeiträge erheben, waren anfangs enorm“, erläuterte BVA-Präsident Gaßner. „Es gibt Kassen mit fünf Prozent Nichtzahlern und andere mit einem höheren Anteil.“

Die Zahl der Kassen ist unterdessen auf ein neues Rekordtief gesunken - und geht weiter zurück. „Wir werden Anfang 2011 noch circa 150 Kassen haben“, sagte Gaßner. Zum Start des Gesundheitsfonds 2009 waren es rund 200. „Und es stehen noch weitere Fusionen an. Ende 2011 werden wir unter 150 Kassen kommen.“ Bereits heute deckten 32 Kassen rund 90 Prozent des Marktes ab.

Für viele der knapp 9 Millionen Privatversicherten fällt das Beitragsplus höher aus als für die rund 50 Millionen zahlenden Kassenpatienten. Im Schnitt sind es laut der Analysefirma Morgen.&.Morgen sieben Prozent, bei einzelnen Tarifen sogar bis zu 34 Prozent, berichtete „Die Welt“.

Für die gesetzlichen Kassen forderte die Vorsitzende ihres Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, mehr Spielraum. „An der Gesundheitsreform vermissen wir mehr Möglichkeiten für die Kassen zum Wettbewerb“, sagte sie der dpa. Die Krankenhäuser seien eine der letzten wettbewerbsfreien Zonen in Deutschland. „Nötig sind mehr Einzelverträge mit Kliniken und Ärzten.“