Eilmeldung Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr für öffentlichen Dienst

Berlin · Um den öffentlichen Dienst steht eine harte Tarifauseinandersetzung an. Die Gewerkschaften stufen die Kampfbereitschaft der Belegschaften als hoch ein. Warnstreiks könnten viele Alltagsbereiche in ganz Deutschland betreffen.

Die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen - mindestens aber 500 Euro pro Monat.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Mitten in der Inflations- und Energiepreiskrise fordern die Gewerkschaften 10,5 Prozent mehr Lohn für den öffentlichen Dienst. Mindestens soll es für die rund 2,5 Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bundes 500 Euro mehr geben. Mit den am Dienstag präsentierten Forderungen sind schwierige Tarifverhandlungen vorbestimmt.

Was unterscheidet die Forderungen von anderen Tarifrunden?

Die Gewerkschaften konzentrieren sich in der Krise darauf, dass ein Reallohnverlust vermieden werden soll. Auf weitere Forderungen etwa zur Arbeitszeit oder anderen Aspekten verzichten sie deshalb. Auszubildende und Praktikanten sollen monatlich 200 Euro mehr bekommen. Nach zwölf Monaten soll wieder verhandelt werden.

Lässt sich das Ziel des Inflationsausgleichs erreichen?

Möglich ist dies. Zuletzt lag die Inflationsrate im September bei 10,0 Prozent. In Reihen der Gewerkschaften wurde zuletzt sogar diskutiert, ob anstelle einer konkreten Prozentzahl verlangt werden soll, dass die Beschäftigten eine Steigerung über der Inflation bekommen. Mit der konkreten prozentualen Forderung sollen die Arbeitgeber nun aber stärker unter Druck gesetzt werden können.

Wie soll Menschen in unteren Gehaltsklassen geholfen werden?

Verdi-Chef Frank Werneke ließ bereits vor Monaten durchblicken: Neben dem Inflationsausgleich solle ein starkes Augenmerk auf die unteren Gehaltsklassen gelegt werden. Deshalb ist für ihn nun die geforderten Summe von mindestens 500 Euro zentral - wer wenig verdient, würde davon am stärksten profitieren.

Welche Rolle spielen krisenbedingte Sonderzahlungen?

Davon wollten die Gewerkschaften nichts mehr wissen. Mögliche Einmalzahlungen lehnte der Verdi-Chef am Dienstag deutlich ab. „Einmalzahlungen sind Strohfeuer“, sagte Werneke. Sie führten nicht zu einer dauerhaften Einkommenssteigerung. Dbb-Chef Ulrich Silberbach bekräftigte: „Einmalzahlungen, die sind für uns verbrannte Erde.“

Wo kommt die Idee von Sonderzahlungen her?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte dies im September im Rahmen seiner Gespräche mit Arbeitgebern und Gewerkschaften gegen die Inflation („konzertierte Aktion“) angeboten. Der Staat verzichtet demnach bei Zusatzzahlungen bis zu 3000 Euro von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten auf Steuern und Abgaben.

Woran orientierten sich die Gewerkschaften?

Unter anderem an der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie. Die IG Metall war mit einer Forderung nach acht Prozent mehr Geld über eine Laufzeit von einem Jahr in die Verhandlungen gestartet - die Arbeitgeber fordern angesichts der Gaskrise eine Nullrunde. Auch ein Abschluss von Verdi und Lufthansa für das Bodenpersonal vom Sommer galt als Orientierung. Hier gibt es mehr Geld in drei Stufen: einen Festbetrag von 200 Euro und zwei Gehaltserhöhungen von jeweils 2,5 Prozent bei 18-monatiger Laufzeit.

Wer wird von dem Tarifstreit noch etwas spüren?

Eltern, Pendler, Fluggäste und auch andere Bevölkerungsgruppen im ganzen Land könnten betroffen sein. Warnstreiks im öffentlichen Dienst sind nicht ungewöhnlich. Verdi und die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erklärten nun, dass die Streikbereitschaft bei den Beschäftigten hoch sei.

Wo und wann könnte es Warnstreiks geben?

Betroffen sein könnten unter anderem Kitas, Krankenhäuser, Ordnungsämter und Straßenmeistereien - so wie bei den bisher letzten Tarifverhandlungen für Bund und Kommunen 2020. Zwei Jahre davor hatten protestierende Beschäftigte auch den Nahverkehr mit Bussen und Bahnen in mehreren Innenstädten lahmgelegt. Warnstreiks sind nach ersten Verhandlungsrunde möglich und damit Ende Januar.

Wie gehen die Arbeitgeber in die Verhandlungen?

Mit Mahnungen zur Zurückhaltung. Die Präsidentin des Arbeitgeberverbands VKA, Karin Welge, sagte schon vor Tagen: „Die Kommunen, kommunalen Krankenhäuser, die Sparkassen und die weiteren kommunalen Unternehmen stehen infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie des Ukrainekrieges unter enormen finanziellen Druck.“ Von der Inflation seien die Arbeitgeber ebenso betroffen wie den Beschäftigten. Die Gewerkschaften sollten maßvolle Forderungen stellen.

Wie ist die Finanzlage der Kommunen konkret?

Unterschiedlich, aber laut Welge unterm Strich schlecht. Viele Kommunen hätten erhebliche Altschulden. Der Investitionsrückstand der Kommunen belaufe sich auf rund 159 Milliarden Euro. Und die Inflation werde weitreichende Kostensteigerungen für Städte und Gemeinden zur Folge haben. Welge betonte die Sicherheit und Vorteile, die die Beschäftigten im öffentlichen Dienst hätten.

(dpa)