Grüne vertreiben vorerst das schwarz-grüne Gespenst
Hannover (dpa) - Die Grünen haben einer Koalition mit der Union nach der Bundestagswahl 2013 eine klare Absage erteilt. „Grün oder Merkel, darum geht's“, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt am Freitagabend beim Bundesparteitag in Hannover.
„Wir wollen mit grüner Politik schwarze Wähler gewinnen, aber mit euch regieren wollen wir nicht“, sagte die 46-Jährige mit Blick auf CDU/CSU. Das eindeutige Ziel bleibe ein Bündnis der Grünen mit der SPD.
Die Grünen wollen bei dem dreitägigen Treffen vor allem ihr sozialpolitisches Profil schärfen und streben höhere Hartz-IV-Sätze an sowie mehr Geld für Bildung und die Energiewende. „Es wird Zeit, dass wir endlich wieder eine Regierung bekommen, die kraftvoll regiert“, sagte Parteichef Cem Özdemir. Es gelte, Schwarz-Gelb abzulösen und eine große Koalition zu vermeiden. Einem Bündnis der Grünen mit CDU und CSU erteilte auch Özdemir eine Absage. „Wir wollen nicht die Union, wir wollen die Stimmen von der Union.“
Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin, der als Gewinner des Mitgliederentscheids die Partei zusammen mit Göring-Eckardt in den Wahlkampf führen wird, nannte die schwarz-gelbe Koalition eine „Gurkentruppe“. Deren Koalitionsgipfel gleichen einem „Schrottwichteln“. „Von der Regierung Merkel wird nichts in Erinnerung bleiben, außer ihr Willen, konsequent an den echten Problemen der Menschen vorbeizuregieren.“
Göring-Eckardt betonte, die Grünen seien angekommen in der Mitte der Gesellschaft. Sie forderte ihre Partei auf, einen nächsten großen Aufbruch für diese Gesellschaft zu wagen. Es gehe um mehr Ökologie und mehr sozialen Zusammenhalt.
Die Absagen an Schwarz-Grün wurde von den 800 Delegierten mit Jubel und Beifall bedacht. „Lasst uns nicht kirre machen von diesen Debatten“, rief Özdemir. „2013 wollen wir mit der SPD regieren.“ Besonders die Wahl der zum Realo-Flügel zählenden Göring-Eckardt zur Spitzenkandidatin hatte diese Debatten befeuert. Rechnerisch kommem derzeit nur eine große Koalition oder Schwarz-Grün infrage.
Özdemir betonte, auch die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück müsse noch zulegen. Entscheidend sei, dass die Grünen möglichst stark würden. „Wir müssen auch stark sein, um die SPD von dem einen oder anderen Irrsinn abzuhalten.“ Derzeit kommen beide Parteien zusammen laut Umfragen auf lediglich rund 43 Prozent der Stimmen im Bund.
Mit Spannung wird die Wahl der Parteiführung am Samstag erwartet: Neben Özdemir bemüht sich auch die Co-Vorsitzende Claudia Roth um eine Bestätigung in ihrem Amt - trotz der Schlappe bei der Urwahl des Wahlkampf-Spitzenduos. Der Parteitag in Hannover soll auch Rückenwind geben für die Landtagswahl am 20. Januar 2013 in Niedersachsen, wo SPD und Grüne gewinnen wollen. Dies wäre ein wichtiges rot-grünes Signal für die Bundestagswahl im September 2013.
Mit Spannung wird erwartet, wie weit links sich die Grünen bei dem dreitägigen Parteitag positionieren - gerade auch mit Blick auf die - trotz aller Absagen theoretische - Option eines Bündnisses mit der Union. Mit einem Steuersatz von 49 Prozent für Spitzenverdiener, einer Vermögensabgabe und einem Aus für klimaschädliche Subventionen will die Partei einen Spielraum von zwölf Milliarden Euro schaffen.
Heftig rangen die Grünen bis zum Parteitagsbeginn um Kompromisse: So gilt als wahrscheinlich, dass der Parteitag eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes von 374 auf 420 Euro und eine Umsetzung bald nach einem Wahlsieg 2013 fordern wird. Dem standen viel weitergehende Forderungen gegenüber, unter anderem eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes auf rund 475 Euro. Über den Sozialkurs und mögliche Korrekturen an den Agenda-2010-Reformen von Rot-Grün soll am Samstag entschieden werden.
In der parteiinternen Debatte über den Umgang mit dem Salzstock Gorleben bei einer neuen Atommüll-Endlagersuche zeichnete sich ein Kompromiss ab. Demnach könnte Gorleben im Rennen bleiben - aber die Suchkriterien sollen so streng geregelt werden, dass Gorleben rasch herausfällt. Der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel sagte: „Wir wollen kein Gorleben-Legalisierungsgesetz.“ Derzeit liegen die Gespräche auf Eis, ein politischer Ausschluss Gorlebens würde einen Konsens mit Union und FDP unmöglich machen.