Gut 135 Milliarden Euro Steuerplus
Berlin (dpa) - Bund, Länder und Kommunen können sich bis Ende 2014 auf gut 135 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen einstellen als bisher geplant.
Das ermittelte der Arbeitskreis Steuerschätzung. Die Prognose ist eine der stärksten Einnahmeverbesserungen in der mehr als 55-jährigen Geschichte des Gremiums. Der Bund der Steuerzahler fordert nun eine schrittweise Abschaffung des bundesweit erhobenen Solidaritätszuschlags. „Die Steuereinnahmen des Bundes werden im nächsten Jahr so hoch sein wie nie. Die Situation für den Einstieg in den Ausstieg ist optimal“, sagte der Vize-Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, der „Schweriner Volkszeitung“ (Freitag). Die Bürger könnten jeweils um bis zu 700 Euro im Jahr entlastet werden. Dem Bund flössen derzeit jährlich zwölf Milliarden Euro aus dem „Soli“ zu. Auch aus Wirtschaft kommen bereits Forderungen, die bis 2014 erwarteten Zusatz-Milliarden nun für eine bessere steuerliche Forschungsförderung zu nutzen.
Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte davor den Sparkurs zu lockern und verwies auf die Milliarden-Risiken im Etat. Zudem habe er einen Großteil der Mehreinnahmen bereits verplant. „Die schwierige Situation für öffentliche Haushalte ist heute weniger schwierig als vor einem Jahr.“ Auch die Länderfinanzminister erteilten Ausgabensteigerungen eine Absage. Aus Sicht der Kommunen besteht trotz der erfreulichen Mai-Prognose kein Anlass für Euphorie.
Für dieses Jahr erwarten die Schätzer ein Einnahmeplus von 17,6 Milliarden Euro im Vergleich zur November-Prognose. Für 2012 wird mit Mehreinnahmen für den Gesamtstaat von 21,4 Milliarden Euro gerechnet, 2013 mit 47,3 Milliarden Euro. 2014 dürfte das Steuerplus gegenüber der vergangenen Mai-Schätzung bei 49 Milliarden Euro liegen.
Für 2015 wurde erstmals geschätzt: Hier werden Rekord-Einnahmen von 652,3 Milliarden Euro erwartet. Der bisherige Spitzenwert fiel auf das Vorkrisenjahr 2008 mit 561,2 Milliarden Euro.
Noch vor einem Jahr hatten die Schätzer Milliardenausfälle vorhergesagt. Der neue Geldsegen ist aber trügerisch. Denn die erhofften Milliarden sind noch längst nicht in den Kassen.
Der Bund kann bis 2014 rund 66,4 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen erwarten. Allerdings sind bereits 53 Milliarden Euro fest verplant. Demnach blieben zwar noch gut 13 Milliarden Euro. Allerdings sind 8 Milliarden Euro für geplante Steuerrechtsänderungen fällig. Das engt den Spielraum für den Bund also nochmals ein.
Schäuble sagte, es gebe eine Fülle von Risiken, etwa durch die angestrebte Energiewende und bei den Einnahmen aus der Brennelementesteuer. Auch gebe es vorerst keine Einnahmen aus der geplanten internationalen Finanztransaktionssteuer. Er halte daran aber für die mittelfristige Finanzplanung fest.
Ab 2013 muss Berlin alljährlich über vier Milliarden an den Euro-Rettungsfonds zahlen. Auch drohen angesichts der Rekordschulden weitere Belastungen bei steigenden Zinsen. Die Neuverschuldung will Schäuble in diesem Jahr aber unter 40 Milliarden Euro drücken.
Für die Länder hat der Schätzerkreis Mehreinnahmen von insgesamt 49,6 Milliarden Euro vorausgesagt. Für die Kommunen soll sich das Gesamtplus bis Ende 2014 auf 19,3 Milliarden Euro belaufen. Hinzu kommen kleinere Zahlungen an die EU oder umgekehrt aus Brüssel.
Unions-Haushaltsexperte Norbert Barthle (CDU) mahnte, die Neuverschuldung abzubauen. Konjunkturbedingte Mehreinnahmen dürften nicht für dauerhafte Mehrausgaben genutzt werden. CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach sagte: „Nur wenn wir jetzt unbeirrt Kurs halten, können wir uns zum Ende der Wahlperiode hin die nötigen Spielräume für eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen erarbeiten.“
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, verwies auf anhaltende Finanzprobleme. Mit „Tagträumereien wie zusätzlichen Steuersubventionen für die Forschung oder teuren Förderprogrammen für Elektroautos“ müsse Schluss sein. Bei Spielräumen müssten zuerst die Bürger entlastet werden.
Die Chemieindustrie forderte, den Spielraum zu nutzen, um die von der Koalition versprochene steuerliche Forschungsförderung einzuführen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte aber: „Es gibt keine Spielräume für zusätzliche staatliche Ausgaben.“
Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider erklärte: „Sollte der Finanzminister die Steuermehreinnahmen dazu nutzen, die Luftbuchungen aus seinem Sparpaket zu füllen, erwarten wir ein offenes Bekenntnis zur Fehlplanung der Bundesregierung.“ Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn stellte klar: „Neue Spielräume entstehen nicht.“ Für Axel Troost von den Linken besteht noch lange kein Grund, „jetzt völlig aus dem Häuschen zu geraten“. Schätzungen blieben Schätzungen, nichts weiter.
Aus Sicht des Städtetages erholen sich die Steuereinnahmen schneller als erwartet. Das kommunale Defizit werde aber voraussichtlich auch 2011 mehrere Milliarden Euro betragen.