Im Umfragehoch Halbzeit für NRW-Regierung - Kann Laschet Kanzler?
Düsseldorf · Zweieinhalb Jahre ist Ministerpräsident Armin Laschet in NRW am Ruder. Die Bevölkerung ist mit seiner CDU/FDP-Landesregierung nicht sonderlich zufrieden. Aber in Berlin gilt Laschet bereits als potenzieller Nachfolger für Angela Merkel.
Staus und Lehrermangel plagen die Menschen in Nordrhein-Westfalen, aber Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wird bereits für höhere Weihen gehandelt.
Zur Halbzeit zweieinhalb Jahre nach der Landtagswahl 2017 und dem Aus für Rot-Grün hat die Koalition aus CDU und FDP in NRW dank sprudelnder Steuereinnahmen einige Wahlversprechen erfüllen können: von der Abschaffung des achtjährigen „Turbo“-Abiturs über Millionen-Hilfe für die Kitas bis zur Stärkung der Polizei.
Dass es im Land breite Proteste etwa gegen die Straßenbaugebühren und die Wohnungsnot gibt, ficht Laschet nicht an. Er wird in Berlin bereits als ein Kandidat für die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel gehandelt. Und NRW-Konflikte dringen bis zur Hauptstadt kaum durch.
„Unspektakulär, aber professionell“ regierten FDP und CDU in NRW, sagt der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Thomas Poguntke. „Aber man kann jetzt nicht sagen, dass eine völlig neue Agenda propagiert worden ist.“ Das Profil der Landesregierung aus Sicht des Politologen: „Sie macht keine großen Fehler, hat aber auch keine große Dynamik entwickelt.“
Während die Zufriedenheit der Menschen mit der schwarz-gelben Landesregierung laut jüngster WDR-Umfrage deutlich gesunken ist, genießt Laschet so viel Rückhalt in der Bevölkerung wie noch nie: 54 Prozent der Befragten sind mit seiner Arbeit zufrieden - immerhin 17 Prozentpunkte mehr als im Februar.
In der Bundes-CDU gilt die Stimme des stellvertretenden Parteichefs als gewichtig - schon deshalb, weil er den mitgliederstärksten Landesverband führt. Viele trauen Laschet auch zu, insgeheim ein Auge auf die Kanzlerkandidatur geworfen zu haben - wobei er sich dazu in der Öffentlichkeit völlig bedeckt hält.
Laschet wiederholt nicht den machtpolitischen Kardinalfehler seiner SPD-Vorgängerin Hannelore Kraft, die den Gang nach Berlin immer ausgeschlossen hatte.
Registriert wird in Berlin allerdings auch, dass Laschet sich gelegentlich distanziert zur CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer äußert - wie neulich, als er Kritik daran durchscheinen ließ, dass sie ihren Vorstoß für eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien nicht mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt hatte.
Laschet kritisiert AKK dosiert, ohne es auf die Spitze zu treiben. „Man darf Herrn Laschet auf keinen Fall unterschätzen“, sagt Politologe Poguntke. Er verhalte sich in der Führungsdebatte der CDU klug. „Er hat sich erst mal zurückgehalten, aber doch immer dafür gesorgt, dass er im Gespräch bleibt.“
Auf jeden Fall wird an Laschets Votum bei der Entscheidung über die nächste Kanzlerkandidatur der Union kein Weg vorbei führen. Neben Laschet kommen allerdings auch der ehrgeizige Gesundheitsminister Jens Spahn und Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz aus NRW.
Zwar konzentriert sich Spahn auf seine Ministerarbeit - intern heißt es aber, er habe Ambitionen auf das Kanzleramt keineswegs zurückgestellt. Und dass Merz sich für kanzlerfähig hält, gilt in Berlin als unumstritten. Laschet sei zwar „auf jeden Fall ein legitimer Kandidat“, sagt Poguntke. Das Rennen sei aber offen.
Laschet verfolgt in NRW weiter einen „Maß- und Mitte“-Kurs. Er kann trotz seiner derzeitigen Popularität aber nur bedingt durchatmen. Zwar ist die CDU laut Umfrage in NRW mit 32 Prozent weiter klar stärkste Kraft und damit auch ein Hoffnungslicht für die von Wahlschlappen gebeutelte Bundes-CDU. Aber die FDP ist so schwach, dass die Regierungskoalition derzeit keine Mehrheit mehr hätte.
In einem 43-seitigen Arbeitsbericht stellt sich die CDU/FDP-Landesregierung eine Erfolgsbilanz aus: Arbeitslosenquote gesunken, ein zweites Kita-Jahr wird beitragsfrei, mehr als 50 000 neue Kita-Plätze neu geschaffen. Der Haushalt kommt ohne neuen Schulden aus - allerdings will die Regierung auf die weitere Tilgung des 144-Milliarden-Schuldenbergs verzichten.
Die Polizei bekam mehr Stellen und bessere Ausrüstung. Trotz Untersuchungsausschüssen etwa zur Aufarbeitung der Behörden- und Polizeifehler im Kindesmissbrauchskandal von Lügde gilt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) als Aktivposten der Regierung. Er hat den Clans den Kampf angesagt und zusammen mit der SPD ein schärferes Polizeigesetz für NRW durchgesetzt. Seit dem Rücktritt der Umwelt- und Agrarministerin Christina Schulze Föcking (CDU) herrscht auch im Kabinett Ruhe.
In NRW bringen sich derweil die wiedererstarkten Grünen in Stellung. Sie haben die SPD bei der Europawahl von Platz zwei verdrängt und sind in Umfragen so stark, dass sogar ein Einzug in die Staatskanzlei kein abwegiger Gedanke mehr wäre. Fraktionschefin Monika Düker gab sich entsprechend gut gelaunt, als sie kürzlich zum Rundumschlag gegen Schwarz-Gelb ausholte.
Laschet werde ja gern ein „schwarz-grünes Mäntelchen“ umgehängt, aber das sei in seiner Politik gar nicht zu finden. Als sogenannter Brückenbauer habe Laschet auch im Konflikt um den Hambacher Forst versagt. Statt Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, bremse die Regierung den für die Energiewende dringend notwendigen Ausbau der Windenergie. Laschet gebe sich gern als „großer Staatsmann“ und präsidial. Sie möge zwar sein Talent für „empathische Reden“, sagt Düker. „Was aber beim Präsidieren unter die Räder kommt, sind wichtige Entscheidungen.“