IT-Gipfel: Merkel fordert mehr Tempo

Dresden (dpa) - Bundesregierung und IT-Branche wollen mit dem Ausbau der Breitbandnetze mehr Tempo in die digitale Gesellschaft bringen. Bei Übertragungsraten von einem Megabit pro Sekunde sei „weitestgehend das erreicht“ worden, „was wir uns vorgenommen haben“.

Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem 5. Nationalen IT- Gipfel am Dienstag. Bei schnelleren Verbindungen aber gebe es noch viel zu tun. Der Branchenverband Bitkom fordert gewaltige Investitionen: In den Aufbau intelligenter Infrastrukturen in Energie, Verkehr, Gesundheit, Bildung und öffentlicher Verwaltung müssten mehr als 130 Milliarden Euro investiert werden.

Allein für den weiteren Breitbandausbau seien Investitionen von rund 50 Milliarden Euro erforderlich. „Wir brauchen ein stabiles rechtliches Umfeld, das den flächendeckenden Netzausbau ermöglicht. Sonst sind Investitionen in dieser Größenordnung nicht zu stemmen“, sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer laut Mitteilung.

Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gibt es jetzt für 98,5 Prozent der Haushalte in Deutschland die technischen Möglichkeiten für einen Breitbandanschluss ins Internet. Tatsächlich genutzt wird dies von 60 Prozent. Bis 2015 sollen 75 Prozent der Haushalte auch mit Anschlüssen von mindestens 50 Megabit pro Sekunde versorgt werden können - zurzeit sind das 40 Prozent.

In Anlehnung an das Modell des Halbleiterstandorts Sachsen - „Silicon Saxony“ - sprach sich Merkel vor den rund 600 Teilnehmern des Gipfels dafür aus, die Zukunft des IT-Standorts Deutschland weiter mit „politisch richtig gesetzten Anreizen“ zu fördern. Zurückhaltend äußerte sie sich aber zur Forderung der IT-Branche nach einer steuerlichen Förderung von Forschungsausgaben. Da sei wohl „noch viel Lobby-Arbeit“ unter den Steuerexperten erforderlich, meinte die Regierungschefin. Brüderle erklärte, er halte eine Steuerbegünstigung von Forschungsausgaben zwar für richtig, doch habe die Konsolidierung des Haushalts Vorrang.

Der Wirtschaftsminister kündigte in Dresden die Bildung einer Taskforce für IT-Sicherheit in der Wirtschaft an. Es müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit die kritische Infrastruktur der Informationstechnik auch in Krisenfällen funktioniere. Ein „Cyberwar“ sei vor einiger Zeit eine irrationale Zutat für Science-Fiction- Romane gewesen, „ist aber inzwischen eine real existierende Gefahr“. Mit der Entwicklung von Sicherheitstechnologien biete sich für Deutschland auch die Chance für einen weiteren Exportschlager: „Hier werden wir der Welt etwas zu bieten haben.“ Brüderle verglich in einer Rede vor dem Plenum die Wikileaks-Enthüllungen mit dem ehemaligen Staatssicherheitsdienst (Stasi) der DDR, distanzierte sich später aber vor Journalisten von dieser Äußerung.

Im Geschäft mit Informationstechnik und Telekommunikation liegt Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor auf dem siebten Platz, wie eine auf dem IT-Gipfel vorgestellte Studie ergeben hat. Damit könne man nicht zufrieden sein, sagte Merkel. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, sprach sich in diesem Zusammenhang für zusätzliche Anstrengungen bei der Forschungsförderung und bei der Behebung des Fachkräftemangels in der Branche aus. „Dieser wird im Moment auf etwa 30 000 beziffert, die Zahl wird aber sicherlich noch steigen“, sagte Otto. „Fehlende Fachkräfte bedeuten auch Wachstumsverluste und deswegen müssen wir schnell handeln.“

In der Gesamtplatzierung erreicht der IT-Standort Deutschland 59 Prozent der maximalen Leistung und liegt damit hinter Schweden und Großbritannien; an der Spitze verdrängte Südkorea die USA auf den zweiten Platz. In Einzelbereichen stellt die am Dienstag vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Studie des Instituts TNS Infratest aber „zum Teil dramatische Rückgänge“ fest. So fiel Deutschland bei der unter anderem an den Umsätzen gemessenen Marktbedeutung vom sechsten auf den siebten Platz zurück und liegt damit hinter China. Die Ergebnisse beziehen sich allerdings noch auf das von der globalen Wirtschaftskrise geprägte Jahr 2009.

Der IT-Gipfel 2011 werde in Bayern stattfinden, kündigte Merkel an. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, nannte als möglichen Tagungsort München.