Analyse Jamaika-Knackpunkt Asyl: Obergrenzen-Streit erst der Anfang
Berlin (dpa) - Ob nun Obergrenze oder nicht - an dieser Frage wird die Einigung der Jamaika-Parteien in Sachen Asyl wohl nicht scheitern. Zündstoff enthält der Kompromiss der Union zu Zuwanderung und Asyl auch so genug.
Vermutlich liegt das Thema schon nächste Woche wieder auf dem Tisch, wenn die Jamaika-Partner sich das erste Mal offiziell zu Gesprächen treffen. Besonders schwer tun sich die Grünen, aber auch die FDP hat Einwände. Was davon ist Taktik, was wird zum echten Knackpunkt für das schwarz-gelb-grüne Experiment?
Zunächst zur Ökopartei, die schon die Feststellung „nicht jeder kann bleiben“ in ihrem Wahlprogramm als kleine Revolution empfand. Ihre Reaktion auf das Unionspapier fällt bemerkenswert uneinheitlich aus - nicht so sehr im Inhalt, aber im Ton. Als erste prescht Simone Peter vor, die Parteichefin vom linken Flügel. Da sei so etwas wie eine Obergrenze beschlossen worden - und das hatten die Grünen vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen.
Die Ex-Spitzenkandidaten und Verhandlungsleiter Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, beide vom realpolitischen Flügel, reagieren zurückhaltender: Formelkompromiss, kein vorgezogenes Verhandlungsergebnis. Gefragt nach Peters Kommentaren fasst Özdemir sich kurz: Was er hier sage, das sei die Position der Grünen. Punkt. Der einflussreiche Linksgrüne Jürgen Trittin dagegen spielt im Fernsehen und via „Rheinische Post“ wieder Bad Cop und wirft den Parteien mit dem C im Namen „Verleugnung urchristlicher Werte“ vor.
Wie denn nun? Einerseits macht das Hin und Her deutlich, dass die gefeierte Geschlossenheit der Grünen schon bei den Jamaika-Sondierungen ins Wanken geraten könnte. Andererseits haben die Linksgrünen die Aufgabe, den Preis zu treiben, während die Realos gut Wetter machen - das gehört zum Spiel. Fest steht für die Partei, dass man das Thema nicht einfach „verdealen“ kann à la „Ihr bekommt den Kohleausstieg, wir die strengen Asylgesetze“. Das ließe sich der Basis, die einen Koalitionsvertrag am Ende absegnen muss, nicht verkaufen.
Inhaltlich ist die Position der Grünen nur teilweise eindeutig. Familiennachzug ausgesetzt lassen? Nein. Marokko, Tunesien und Algerien zu „sicheren Herkunftsländern“ erklären, um Asylbewerber von dort einfacher in ihre Heimat zurückschicken zu können? Nein. Allerdings ist der grün-schwarz-regierende Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg da schon ausgeschert. Was ihm der linke Flügel bis heute ausgesprochen übel nimmt.
Ob die Brücken, die Kretschmann bereits vor einem Jahr versucht hat zu bauen, heute tragen, ist fraglich. Schon die bisherige schwarz-rote Bundesregierung habe ihm zugesichert, dafür zu sorgen, dass Gruppen wie Homosexuelle, Journalisten oder religiöse Minderheiten aus diesen Staaten weiter Schutz bekommen, sagt Kretschmann.
Eine Kröte, die man für Jamaika schlucken muss? „Ich schlucke keine Kröten, weil ich Vegetarier bin“, bügelt Özdemir die Frage ab. Undenkbar wäre das aber nicht.
Asylbewerber in „Zentren“ unterbringen, bis klar ist, ob sie bleiben dürfen oder gehen? Hm. Özdemir lobt das „Heidelberger Modell“, wo es eine zentrale Stelle für Registrierung, Untersuchung und Antragstellung gibt, während zum Beispiel die Grüne Jugend schon über „Internierungslager“ schimpft.
Vergleichsweise unproblematisch dürfte dagegen die Einigung auf ein Zuwanderungsgesetz werden, das FDP und Grüne schon länger fordern, zumal die CSU inzwischen signalisiert, dass auch sie die Zuwanderung besser steuern will. Während aber CDU und CSU beim Thema Einwanderungsgesetz noch weitgehend im Ungefähren bleiben, haben Grüne und Liberale schon klare Vorstellungen, die auch gar nicht so weit auseinanderliegen.
Eine der zehn Trendwenden, die vor allem die Liberalen in jedem Fall umgesetzt wissen wollen, ist ein Einwanderungsrecht aus einem Guss. Nötig sei „ein in sich schlüssiges Einwanderungsgesetz, das zwischen Asylbewerbern, Kriegsflüchtlingen und potenziellen Einwanderern unterscheidet“, sagte der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) der Deutschen Presse-Agentur.
Deutschland müsse sich „wie jedes vernünftige Einwanderungsland diejenigen aussuchen, die dauerhaft bei uns bleiben - über ein Punktesystem und nach Anforderungen des Arbeitsmarktes“. Wichtig dabei ist für Liberale wie für Grüne, dass Flüchtlinge die Spur wechseln können. Das heißt, auch gut integrierte Kriegsflüchtlinge, die den Zuwanderungskriterien nach dem Punktesystem entsprechen, sollen sich für eine dauerhafte Einwanderung bewerben können.
Als Fazit für die Zuwanderung dürfte vor allem bei den Grünen das gelten, was für Jamaika als Gesamtprojekt gilt: machbar, ja - aber nur mit viel gutem Willen und einer intensiven Einbindung des linken Flügels, der Verhandlungen schnell platzen lassen kann.