Jurist George Turner: „Die Universität hat unklug gehandelt“
Der ehemalige Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz hält den Titel-Entzug für problematisch.
Berlin. Der emeritierte Juraprofessor und ehemalige Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, George Turner, hält den Beschluss der Uni Düsseldorf zur Aberkennung des Doktortitels für Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) für unklug.
Herr Turner, hat Sie die glasklare Entscheidung der Uni überrascht?
George Turner: Ich bin verblüfft, weil ich meine, dass die Universität unklug gehandelt hat. Und zwar deshalb, weil sie nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich selbst als untadelig und als unvoreingenommen gegenüber Frau Schavan darzustellen. Dazu hätte sie weitere Gutachten einholen müssen. Wenn diese Gutachten das bestätigt hätten, was Stefan Rohrbach eine „leitende Täuschungsabsicht“ nannte, ohne Schavan überhaupt anzuhören, dann hätte die Universität fleckenlos dagestanden. Nun aber lenkt sie alle Speere auf sich.
In Schavans Doktorarbeit seien „in bedeutendem Umfang“ fremde Texte ohne die nötige Kennzeichnung zu finden, sagt die Uni. Warum überzeugt Sie das nicht?
Turner: Das wiegt sehr schwer. Das wiegt aber auch sehr schwer gegen den Doktorvater. Denn wenn das so klar erkennbar ist, wie der Fakultätsrat jetzt sagt, dann frage ich mich, was der Doktorvater und der Zweitberichterstatter gemacht haben, als sie Schavans Arbeit durchgeschaut haben.
Sollte Frau Schavan nicht doch besser von ihrem Ministeramt zurücktreten?
Turner: So lange das Verfahren nicht durch ein Gericht abgeschlossen ist, nein. Das Gericht wird prüfen, ob Verfahrensfehler vorgekommen sind. Hier könnte ich mir vorstellen, dass das bestätigt wird. In der Sache selbst stellt sich die Frage, ob die Entscheidung der Universität ermessensfehlerhaft war. Dazu muss eine Gesamtbeurteilung stattfinden. Ein paar Gutachter, die nicht im Auftrag der Uni handelten, sondern das aus freien Stücken taten, haben ja festgestellt, dass Schavan zwar Fehler gemacht hat, aber diese Fehler keine Aberkennung des Doktortitels rechtfertigen.
Was sollen Doktoranden davon halten, wenn die oberste Bildungspolitikerin trotz Aberkennung ihres Titels weitermachen will?
Turner: Wenn das ein Gericht bestätigt, dann wird Frau Schavan die richtigen Konsequenzen ziehen. Wenn jemand in erster Instanz verurteilt ist, und er geht in die nächste Instanz, dann muss dieses Urteil abgewartet werden. Das sollten auch Doktoranden berücksichtigen.