Kampagne gegen Ehegattensplitting senkt Chancen bei Wahlen
Grüne streiten über Ehegattensplitting. DIW-Experte zeigt Alternative auf.
Düsseldorf. Ulle Schauws hält an grünen Idealen fest. „Wir wollen das Ehegattensplitting, das eine Hürde für die Erwerbstätigkeit von Ehefrauen ist, abbauen“, gibt sie auf Anfrage unserer Zeitung zu Protokoll.
Die 48-jährige Krefelderin sitzt seit 2013 für die Grünen im Bundestag. Und die Abschaffung des Ehegattensplittings war ihr immer ein Herzensanliegen. „Für uns Grüne bleibt das Ziel, alle Kinder und alle Familien zu fördern und nicht den Trauschein“, sagt Schauws. Das sieht ihre Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt anders.
Nachdem die Grünen bei der jüngsten Bundestagswahl statt wie erhofft 15 bis 18 nur 8,4 Prozent der Stimmen holen konnten, rüttelte Göring-Eckardt an den Grundfesten grüner Familien- und Steuerpolitik. Es sei falsch gewesen, das Ehegattensplitting einfach streichen zu wollen, so die Vorzeige-Grüne in einem Interview. Seitdem wird das Thema in der Partei kontrovers diskutiert. Ausgang offen.
Ähnlich läuft es bei den Sozialdemokraten. Über Jahrzehnte hinweg stand die Abschaffung oder mindestens die Änderung des Ehegattensplittings bei der SPD in den Wahlprogrammen. Davon ist wenig geblieben. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag taucht das Thema nicht auf. „Das Splitting nutzt einfach zu vielen, um es einfach zu streichen“, vermutet Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin). Rund zwölf Millionen Steuerbürger profitieren davon. „Mit einer Kampagne dagegen lässt sich offenbar keine Wahl gewinnen“, sagt der Steuerexperte.
Dabei gibt es aus seiner Sicht Alternativen. „Eine reine Individualbesteuerung würde nicht nur zu Steuermehreinnahmen führen, sondern auch die Erwerbsbeteiligung von verheirateten Frauen deutlich erhöhen“, so der DIW-Experte. Er verweist auf die Regelungen im Ausland. In den meisten Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gebe es kein Ehegattensplitting, sondern eine individuelle Besteuerung der Partner.
Bach hält es aber für unmöglich, den Splittingvorteil einfach zu streichen. Das hätte vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand, da die Ehe unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehe. Der DIW-Experte schlägt vor, das Splitting zu streichen und den Ehepartnern zwei volle Grundfreibeträge einzuräumen, auch wenn einer von beiden keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt.
Jährliche Mehreinnahmen: etwa fünf bis sechs Milliarden Euro. „Das Geld könnte die Politik den Familien zugutekommen lassen“, schlägt Bach vor. Zum Beispiel ließe sich das Kindergeld erhöhen. Oder es gebe noch mehr Mittel zum Ausbau der Kitas.