Katholische Kirche zahlt Millionen an Missbrauchsopfer
Trier/Berlin (dpa) - Knapp vier Jahre nach der Enthüllung des Missbrauchsskandals hat die katholische Kirche Opfer mit schätzungsweise rund sechs Millionen Euro entschädigt. Etwa 1300 Menschen stellten bei der Koordinierungsstelle der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) einen entsprechenden Antrag.
In den allermeisten Fällen habe die Expertenstelle eine Geldzahlung empfohlen, die über die jeweiligen Bistümer oder Orden erfolge, sagte ein DBK-Sprecher. Im Durchschnitt flossen für jedes Opfer rund 5000, in Einzelfällen bis zu 18 000 Euro, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab.
Auch die Entschädigung von Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in ihren Familien missbraucht wurden, kommt voran. Bis Mitte Dezember beantragten 720 Betroffene Hilfe beim Fonds Sexueller Missbrauch, wie das Familienministerium mitteilte. Seit Mai können Betroffene Sachleistungen bis zu 10 000 Euro beispielsweise für Therapien erhalten. Der Bund beteiligt sich an dem Fonds mit 50 Millionen Euro. Auch die Länder hatten Unterstützung zugesagt, bislang floss allerdings nur aus Mecklenburg-Vorpommern Geld.
2010 schockierte das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in Schulen, Internaten und der Kirche die Öffentlichkeit. In der Folge wurde diverse Entschädigungssysteme etabliert: Neben dem Kirchentopf und dem Fonds für Opfer familiären Missbrauchs gibt es noch zwei 120 Millionen Euro und 40 Millionen Euro umfassende Fonds für ehemalige Heimkinder in Ost und West. Strafrechtlich blieben viele Vorfälle folgenlos, weil die Taten verjährt waren.
Als die katholische Kirche im März 2011 mit „materiellen Leistungen in Anerkennung des Leids der Opfer“ begann, türmten sich zunächst die Anträge - nun ist die Antragsflut vorbei. „Die Zahl der Anträge ist massiv zurückgegangen“, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Triers Bischof Stephan Ackermann. Dennoch: „Natürlich gibt es noch aktuelle Fälle. Das Problem bleibt.“ Aber es sei „kein Vergleich zu dem, was wir vor zwei, drei Jahren hatten.“
Die „Entschädigungszahlungen“ waren Teil eines Pakets an Maßnahmen, mit dem die katholische Kirche auf den Skandal reagierte. Eine offizielle Gesamtübersicht über die Zahlungen sämtlicher Bistümer gibt es nicht. Eine dpa-Stichprobe in einem Drittel der 27 Diözesen ergab, dass etwa das Bistum Münster (2 Millionen Katholiken) knapp 563 000 Euro zahlte. Hinzu kommen mehr als 61 000 Euro etwa für Therapie- und Behandlungskosten. Bislang meldeten sich 112 Menschen als Opfer.
Das Erzbistum München und Freising (1,76 Millionen Katholiken) zahlte bislang an 26 Opfer 134 000 Euro Entschädigung aus und übernahm gut 32 000 Euro Therapie- und Fahrtkosten. Die Einzelzahlung belief sich auf 5000 bis 7000 Euro. Das Erzbistum Paderborn (1,7 Millionen Katholiken) überwies bisher 297 500 Euro Entschädigungen sowie 21 500 Euro für Therapiekosten. Die Spanne der ausgezahlten Summen für 49 Opfer reicht von 1000 bis 8000 Euro.
Im Bistum Mainz (754 000 Katholiken) erhielten 33 Missbrauchsopfer 201 000 Euro - jeweils zwischen 1000 und 13 000 Euro. Im Bistum Trier (1,5 Millionen Katholiken), das 280 000 Euro auszahlte, belief sich die höchste bekannte Summe an ein Opfer auf 18 000 Euro. In Speyer (570 000 Katholiken) gingen bislang 184 000 Euro an Missbrauchsopfer - 3000 bis 15 000 Euro je Fall. Im Erzbistum Berlin (402 000 Katholiken) bekamen bislang zwölf Opfer 53 000 Euro. Limburg (650 000 Katholiken) zahlte nach früheren Angaben mindestens 91 000 Euro an 24 Opfer, Fulda mindestens 37 500 Euro (Stand Januar 2013).
Der bisherige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes- Wilhelm Rörig, sagte der dpa: „Die Gesellschaft nimmt das Thema ernster als vor vier Jahren und setzt sich damit auseinander. Aber es gibt auch noch Abwehr und Verdrängung. Viele empfinden die Beschäftigung mit dem sexuellen Missbrauch noch immer als Zumutung.“
Für Norbert Denef vom Opferverein Netzwerk B hat sich hingegen nichts getan: „Das ist alles Augenwischerei. Für die Opfer hat sich nichts verbessert, das gesellschaftliche Verständnis ist nach wie vor nicht da“, sagte er der dpa. Die finanziellen Leistungen reichten nicht aus, die Anträge seien „retraumatisierend“. Opferverbände fordern von der Politik, die strafrechtlichen Verjährungsfristen für Sexualstraftäter aufzuheben.