Keine Quadriga für Putin - Querelen und Kritik
Berlin (dpa) - Nach tagelangen Querelen um Wladimir Putin als Preisträger fällt die Verleihung des Einheitspreises Quadriga aus. Die Entscheidung sei „angesichts des zunehmend unerträglichen Drucks und der Gefahr weiterer Eskalierung“ gefallen, teilte das Kuratorium am Samstag mit.
Zuletzt hatte Quadriga-Preisträger Vaclav Havel gedroht, aus Protest gegen Putin als Preisträger konkrete Schritte zu unternehmen. Die Zukunft des Quadriga-Preises ist offen. Die Absage der Preisverleihung fällt zeitlich mit den deutsch-russischen Regierungskonsultationen zusammen, die am Montag beginnen.
In einer Notfallsitzung hatte sich das Kuratorium des Vereins Werkstatt Deutschland dagegen entschieden, Putin wie eigentlich vorgesehen „für seine Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen“ zu ehren. Der Preis sollte am 3. Oktober, am Tag der Deutschen Einheit, vergeben werden. Leer aus gehen damit auch die drei anderen Nominierten, die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa, die türkischstämmige Autorin und Lehrerin Betül Durmaz und der palästinensische Premierminister Salam Fayyad.
Mehrere frühere Preisträger hatten die Entscheidung für Putin kritisiert, einer hatte seine Auszeichnung zurückgegeben. Mitglieder des Kuratoriums waren aus Protest zurückgetreten. Kritik gab es vor allem, weil Putin mangelnde Beachtung der Menschenrechte vorgeworfen wurde.
Der tschechische Ex-Präsident Havel begrüßte die Absage. Er halte es für eine weise Entscheidung, dass die Jury ihre Entscheidung überdacht habe, den russischen Ministerpräsidenten auszuzeichnen, ließ Havel am Samstag in Prag erklären. Der Preis solle an Persönlichkeiten vergeben werden, die ihr Leben für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie einsetzten, sagte seine Assistentin Sabina Tancevova der tschechischen Agentur CTK.
Aus Moskaus Sicht beeinflusst die Entscheidung die deutsch-russischen Beziehungen nicht. Putin-Sprecher Dmitri Peskow sagte der Agentur Interfax, die Nichtvergabe hänge mit dem „Chaos innerhalb der Jury“ zusammen. Moskau hatte die Diskussion um die Preisverleihung an Putin seit Tagen beobachtet, aber sehr zurückhaltend kommentiert.
Brisant ist allerdings der Zeitpunkt. Beim „Petersburger Dialog“, treffen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der russische Präsident Dmitri Medwedew in Hannover. Bei diesem Dialog wollen sich die Regierungschefs über die wirtschaftliche Zusammenarbeit und über außenpolitische Themen austauschen.
Der russische Politologe Wladislaw Below sieht keinen Schaden für die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin. „Die Beziehungen sind fest und gut“, sagte der Deutschland-Experte der Nachrichtenagentur dpa in Moskau. „Für Putin aber ist das ein Affront, sein Image wird dadurch beschädigt“, meinte Below. Vor allem der Verein Werkstatt Deutschland habe viele Fehler gemacht und lasse den Regierungschef nun mit der „schlecht vorbereiteten Preisvergabe“ unmöglich dastehen.
Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, sieht das deutsch-russische Verhältnis nicht als belastet an. „Das Verhältnis ist grundsätzlich von gegenseitigen Interessen geprägt. Seine Strukturen sind gefestigt“, sagte der SPD-Politiker am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa.
Die Zukunft des Preises ist nach Angaben des Quadriga-Sprechers Stephan Clausen noch völlig offen. Darüber wolle das Kuratorium, das derzeit aus 17 Mitgliedern besteht, in den kommenden Wochen beraten. Offenbar herrscht aber wenig Einigkeit. Bei der Putin-Debatte ist laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sogar ein externes Beratungsunternehmen hinzugezogen worden, um die Wirkung auf die Öffentlichkeit zu begutachten. Obwohl die Berater warnten, habe sich der Vereinsvorstand für Putin entschieden. Quadriga-Sprecher Clausen war am Sonntag nicht mehr zu erreichen.
Die Auszeichnung, die nach der Viergespann-Skulptur auf dem Brandenburger Tor benannt ist, sollte zum elften Mal vergeben werden. Zu den früheren Quadriga-Preisträgern gehörten Königin Silvia von Schweden, die Ex-Kanzler Gerhard Schröder und Helmut Kohl, der afghanische Präsident Hamid Karsai und Israels Staatspräsident Schimon Peres. Auch der ukrainische Staatspräsident Viktor Juschtschenko und das Internet-Nachschlagewerk Wikipedia wurden bereits geehrt.