Neues Ermittlungsverfahren gegen Demjanjuk
München (dpa) - Gegen den früheren KZ-Wachmann John Demjanjuk (91) läuft ein neues Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz prüfe Vorwürfe im Zusammenhang mit Demjanjuks Tätigkeit als Wachmann im Konzentrationslager Flossenbürg, berichteten mehrere Medien.
„Es gibt einen Anfangsverdacht aufgrund einer Anzeige“, sagte Weidens Oberstaatsanwalt Gerhard Heindl dem Berliner „Tagesspiegel“ (Samstag). Demnach stellten zwei Juristen, die mit dem abgeschlossenen Münchner Demjanjuk-Prozesses eng befasst waren, die Anzeige. Sie werfen Demjanjuk und einem weiteren KZ-Wachmann vor, sich an der Ermordung von 4974 Menschen im KZ Flossenbürg beteiligt zu haben.
Von der Staatsanwaltschaft und vom Oberlandesgericht Nürnberg waren am Sonntag keine Auskünfte zu erhalten. Wie die Nachrichtenagentur dpa vonseiten der KZ-Gedenkstätte erfuhr, soll es sich um ein Modellverfahren handeln, um künftig auch KZ-Wachleute außerhalb von Vernichtungslagern strafrechtlich verfolgen zu können.
Die Anzeige wurde nach Informationen von „Bild“ zufolge bereits Ende Mai erstattet. Sie sei ursprünglich bei der Staatsanwaltschaft München eingegangen, von wo sie nach Weiden weitergeleitet wurde. In der Nähe liegt das frühere KZ. „Ein Ermittlungsverfahren ist eingeleitet. Wir sammeln Erkenntnisse“, sagte Oberstaatsanwalt Heindl dem Blatt.
Laut „Tagesspiegel“ stammt die Strafanzeige zum einen von Thomas Walther, der früher bei der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg war und den Fall Demjanjuk entdeckt habe. Zudem habe der Kölner Strafrechtsprofessor Cornelius Nestler, der Organisator der Nebenklage im Prozess in München, Anzeige erstattet.
Der Leiter der Flossenbürger KZ-Gedenkstätte, Jörg Skriebeleit, sagte, Walther habe bei den Recherchen eng mit der Gedenkstätte zusammengearbeitet. „Flossenbürg soll ein Pilotverfahren werden“, sagte Skriebeleit der dpa. Der Straftatbestand Beihilfe zum Mord solle nicht mehr nur für reine Vernichtungslager gelten. Bei dem zweiten Beschuldigten handele es sich um einen Wachmann, der auch bereits als Zeuge im Demjanjuk-Prozess ausgesagt habe.
Demjanjuk war nach den Untersuchungen von Skriebeleit und seinen Mitarbeitern von Oktober 1943 bis Dezember 1944 Wachmann in dem Lager. In dieser Zeit seien knapp 5000 Menschen in Flossenbürg umgekommen. Am Wochenende war Walther erneut nach Flossenbürg gekommen, um von Überlebenden möglicherweise neue Details zum Fall Demjanjuk zu erfahren. Zum jährlichen Treffen der ehemaligen Häftlinge waren 51 frühere KZ-Insassen sowie 150 Angehörige gekommen, sagte Skriebeleit.
Demjanjuk war Mitte Mai wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 28 060 Juden im Jahr 1943 im Vernichtungslager Sobibor zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Zugleich hob das Landgericht den Haftbefehl als nicht mehr verhältnismäßig auf. Die Regierung von Oberbayern brachte den 91 Jahre alten Demjanjuk in einem Pflegeheim in Bad Feilnbach (Landkreis Rosenheim) unter.