Keine Spur des Oslo-Attentäters nach Deutschland
Berlin/München (dpa) - Der Attentäter von Norwegen hat nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden keine Beziehungen in die Bundesrepublik gehabt. „Tat und Täter weisen nach derzeitigem Kenntnisstand keine Bezüge nach Deutschland auf“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Das Massaker mit 76 Toten bringe zudem keine zusätzlichen Argumente für die innerdeutsche Sicherheitsdebatte. Fachpolitiker machen sich nach dem Doppelanschlag von Oslo für eine schärfere Überwachung des Internets stark. Auch der Streit über Sicherheitsgesetze wie die umstrittene Vorratsdatenspeicherung ist wieder entfacht.
Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans wollte nicht direkt darauf eingehen, dass der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik in einem Internet-Manifest mehrmals auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erwähnt hat. Die deutschen Behörden arbeiteten grundsätzlich an einem höchsten Sicherheitsniveau in Deutschland, „übrigens für jedermann, nicht nur für namentlich Bekannte“. Breivik hatte geschrieben, Merkel sei „der am wenigsten schlechte Führer der größeren Nationen“. Die Kanzlerin sorge aber mit ihrer Unterstützung der „schrecklichen EU-Verfassung“ für eine „Eurabisierung“ Europas.
Als Parteien, die die „Islamisierung Europas“ und den von ihm verhassten Multikulturalismus unterstützen, nannte Breivik CDU, CSU, FDP, SPD, die Grünen und die Linken. Deren Führer gehörten zur schlimmsten Gruppe der Verräter und müssten mit dem Tode bestraft werden. Konkrete Anschlagspläne äußerte Breivik aber nicht.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die rechte Szene werde intensiv beobachtet. Hinweise auf rechtsterroristische Aktivitäten lägen derzeit aber nicht vor. Auch sei eine Datei für besonders auffällige Personen - wie von der Gewerkschaft der Polizei gefordert - nicht notwendig, zumal alle auffälligen Gruppen ohnehin beobachtet würden. Eine lückenlose Überwachung des Internets sei angesichts des Datenvolumens nicht leistbar.
Auf einschlägigen Internetseiten der rechtsextremistischen Szene in Deutschland wird die Gräueltat von Oslo als Fanal gegen eine „zunehmende Überfremdung“ Europas interpretiert. Unverhohlen wird auch Genugtuung darüber geäußert, dass „hier einer dem linken Kadernachwuchs einen Schlag versetzt hat“. Doch trifft das Blutbad auch auf strikte Ablehnung. Zudem werden Zweifel an der Zugehörigkeit des Amokschützen zur rechten Szene geäußert. Auch die rechtsextreme NPD ließ erkennen, dass sie nicht in Verbindung mit dem Attentäter gebracht werden will. Laut Innenministerium in Schwerin sind Kontakte des Mannes zur Szene in Mecklenburg-Vorpommern nicht bekannt.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), nahm den Bombenanschlag in Oslo und das Massaker unter den Teilnehmern eines Jugendcamps auf der Insel Utøya zum Anlass, seine Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung zu erneuern. „Die Sicherheitsbehörden müssen stärker als bisher im Netz auf Streife gehen.“ Auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) betonte: „Wir brauchen einen Zeitraum von mehreren Monaten, in denen Verbindungsdaten sicher auf Vorrat gespeichert werden.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im Deutschlandfunk, es sei höchste Zeit, dass der Bund mit der Gesetzgebung vorankomme, aber dies habe „nichts unmittelbar mit Norwegen zu tun“. Die Behörden müssten Interneteinträge aber „noch aufmerksamer verfolgen“.
Als „geschmacklos“ bezeichnet Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP), dass Uhl das Massaker von Oslo zum Anlass nahm, erneut nach der Vorratsdatenspeicherung zu rufen. Die FDP-Bundestagfraktion wies darauf hin, dass Verbrechen von Einzeltätern schwer zu verhindern seien, „besonders nicht mit der Vorratsdatenspeicherung“. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte vor überhasteten Reaktionen der Politik. „Ich halte nichts davon, aus der schrecklichen Tat in Norwegen jetzt Schnellschüsse herzuleiten“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der „Schwäbischen Zeitung“ (Dienstag), die Vorratsdatenspeicherung sei ein unverzichtbares Instrument. „Aber sie ersetzt nicht regelmäßige Patrouillen der Sicherheitsbehörden im Netz zur Identifizierung extremistischer Webseiten“. Es sei „völlig paradox“, dass der Täter unter Berufung auf christliche Werte getötet habe. „Das sind mörderische Wahnvorstellungen, für die es keine Rechtfertigung gibt, erst recht nicht im Christentum.“
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erneuerte die Forderung nach einem Verbot der rechtsextremen NPD.