Kinderhilfe will Beschneidungen nicht legalisiert sehen
Berlin (dpa) - Die Deutsche Kinderhilfe hat sich gegen die von der Bundesregierung geplante Legalisierung religiöser Beschneidungen ausgesprochen.
Der Verein warnte am Samstag vor einem „Blankoscheck für religiös motivierte Kindesmisshandlungen“ und verteidigte das Kölner Gerichtsurteil, das die Beschneidung als strafbare Körperverletzung bewertet hat. Der Protest von Religionsvertretern dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der Beschneidung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Kindern sehe.
Die Ärztekammer begrüßte dagegen das Versprechen der Regierung, schnell Rechtssicherheit schaffen zu wollen. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir das Urteil für sehr kulturunsensibel und falsch halten“, sagte Frank Ulrich Montgomery dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Gleichzeitig riet er den Mitgliedern der Kammer davon ab, in der jetzigen Situation zu beschneiden, da die Gefahr der Bestrafung bestehe.
Die Bundesregierung hatte am Freitag auf einen Proteststurm von Juden und Muslimen gegen das Kölner Urteil reagiert und angekündigt, rechtliche Klarheit schaffen zu wollen. Konkrete Vorstellungen zu einer gesetzlichen Regelung gibt es aber noch nicht. Sowohl im Judentum als auch im Islam hat das Ritual der Beschneidung eine lange Tradition.
Die Kinderhilfe kritisierte, dass in der laufenden Debatte das Thema Religionsfreiheit dominiere. Regierungssprecher Steffen Seibert sei in seiner Ankündigung einer rechtlichen Regelung „nicht mit einer Silbe“ auf den Aspekt des Kindeswohls eingegangen, hieß es in der Erklärung des Lobbyvereins. „In anschließenden Stellungnahmen der anderen Parteien sieht es nicht anders aus.“ Die Kinderhilfe forderte, zwischen den Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und Religionsfreiheit abzuwägen. „Eine gesetzliche Regelung kann nur den Einstieg in den Ausstieg der Beschneidung in Deutschland bedeuten“, hieß es in der Erklärung.
Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer verteidigte dagegen die Haltung der Bundesregierung. „Die Religionsfreiheit in Deutschland ist ein hohes Gut. Die jüdischen und muslimischen Menschen müssen ihren Glauben leben können“, sagte die CDU-Politikerin der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag).
Aus der jüdischen Gemeinde in Deutschland kam weiter scharfe Kritik an dem Kölner Urteil. Der Landesrabbiner von Baden-Württemberg, Netanel Wurmser, äußerte sich entsetzt: „Das weckt Erinnerungen an schlimmste Szenarien jüdischer Verfolgung“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Denn der Richterspruch lege die Frage nahe: „Sind Juden in Deutschland willkommen, können sie ihre Religion frei ausüben?“
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, begrüßte die von der Bundesregierung zugesagte Klarstellung. „Den Ankündigungen müssen jetzt aber auch schnell Taten folgen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag).