Kinderpornografie: Kritik an geplanter Gesetzesverschärfung

Berlin/Hamburg (dpa) - Im Kampf gegen Kinderpornografie plant die Bundesregierung das Strafrecht ausweiten - Psychiater, Kriminologen und Strafrechtler halten das aber für falsch.

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27 Wissenschaftler aus diesen Disziplinen erklärten in einer Stellungnahme am Wochenende, schärfere Gesetze seien nicht hilfreich. Hintergrund der Strafrechtsreform ist unter anderem die Edathy-Affäre.

Schärfere Gesetze könnten dazu führen, dass Pädophile nicht mehr wagten, sich an Hilfeeinrichtungen zu wenden, sagte einer der Unterzeichner, der Hamburger Kriminologie-Professor Sebastian Scheerer. „Wenn Sie einfach Druck ausüben auf Menschen und ihnen keinen Ausweg geben, dann können unvorhergesehene Dinge passieren.“ Scheerer forderte eine gesellschaftliche Debatte und mehr Präventionsarbeit. Er warnte vor Schnellschüssen.

Maas hatte den Entwurf am Freitag den anderen Ministerien zur Abstimmung geschickt. Er plant, unbefugte „Posing“-Bilder per Gesetz zu verbieten - also Aufnahmen von nackten Kinder in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung, die heimlich oder gegen den Willen des Kinds gemacht wurden. Bislang sind nur solche Aufnahmen strafbar, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zeigen.

Maas' Entwurf zufolge wäre es künftig verboten, „Posing-Bilder“ aufzunehmen, zu verbreiten oder zu beziehen. Es drohen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft.

Scheerer erklärte: „Diese „Posing“-Sachen, die müssen nicht unter entwürdigenden und traumatisierenden Bedingungen aufgenommen worden sein.“ Ein allgemeines Verbot im Strafrecht sei deshalb nicht sinnvoll. Die Kinder könnten auch über das Urheberrecht vor einer Verbreitung der Aufnahmen geschützt werden.

Straffrei bleiben sollen nach wie vor Eltern, die ihre nackten Kinder beim Spielen fotografieren - denn diese Aufnahmen geschehen in der Regel nicht unbefugt. „Wir sollten nichts kriminalisieren, was zum Alltag vieler Eltern gehört, wie zum Beispiel das Fotografieren ihrer Kinder am Strand“, hatte Maas bereits früher klargestellt.

Der Entwurf könnte auch Erwachsene künftig besser schützen. Unbefugte Nacktaufnahmen oder bloßstellende Aufnahmen, etwa von Gewaltopfern, will der Minister verbieten. Dabei sollen sowohl das Fotografieren und Filmen wie auch das Verbreiten der Bilder strafbar sein. Und zwar unabhängig davon, ob die Fotos und Filme verkauft oder unentgeltlich weitergegeben werden, wie im Justizministerium erläutert wurde.

Schon bisher waren unbefugte Aufnahmen innerhalb der Wohnung oder eines besonderen blickgeschützten Bereichs nicht erlaubt (Paragraf 201a des Strafgesetzbuchs). Die räumliche Einschränkung soll nun aber aufgehoben werden, wenn es um Aufnahmen von Nackten oder bloßstellenden Situationen geht. In beiden Fällen gilt: Die Fotos oder Videos müssen heimlich oder gegen den Willen der abgelichteten Person gemacht worden sein. Die Höchststrafe für die Verbreitung steigt von bis zu einem Jahr auf bis zu drei Jahre Haft.

Hintergrund der Reform ist neben einer EU-Richtlinie, die Deutschland noch umsetzen muss, die Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy, der im Internet Bilder nackter Kinder gekauft hatte. Die Aufnahmen zeigten allerdings keine sexuellen Handlungen. In der anschließenden Debatte über Kinderpornografie wurden Stimmen laut, auch Bilder von posierenden Kindern zu verbieten.

Maas plant außerdem, dass die Verjährungsfrist für Kindesmissbrauch erst beginnt, wenn das Opfer 30 Jahre alt ist. Bislang liegt die Altersgrenze bei 21 Jahren. „Das empfinden Opfer von sexualisierter Gewalt als Verrat“, kritisierte der Opfer-Verband Netzwerk B und forderte, die Verjährungsfrist ganz abzuschaffen. Die Täter könnten dann verfolgt werden, egal wie lange der Missbrauch zurückliegt.