Bundestag Kritik an Unionsanfrage zu Neutralität von Organisationen

Berlin · Eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD löste eine Protestwelle gegen die CDU/CSU aus - nun wirft die Union mehr als 500 Fragen zu einer Reihe von Vereinen auf. Das befremdet auch mögliche Partner.

In mehreren Städten demonstrierten Tausende gegen eine Bundestagsabstimmung der Union mit der AfD. (Archivbild)

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Eine Parlamentsanfrage der Union zur politischen Neutralität von Nichtregierungsorganisationen stößt auf breite Empörung und belastet auch die Gespräche über eine Koalitionsbildung mit der SPD. Parteichef Lars Klingbeil sagte, die Anfrage stelle Organisationen an den Pranger, die die Demokratie schützten. „Deswegen muss die Union jetzt für sich klären, wie ernsthaft sie in Gespräche mit der Sozialdemokratie gehen will.“ Grüne und Linke warnten vor einem Angriff auf die Zivilgesellschaft. Die Union rechtfertigte ihr Vorgehen.

Hintergrund der Kleinen Anfrage mit 551 Fragen sind jüngste Proteste gegen die CDU, „die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden“, wie es darin heißt. Die Proteste seien „eine gezielte parteipolitische Einflussnahme“ unmittelbar vor der Bundestagswahl, was nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt sei. Zuletzt gab es bundesweit Demonstrationen gegen Rechts und die CDU. Ein Auslöser dafür war, dass die Union im Bundestag einen umstrittenen Antrag für eine schärfere Migrationspolitik auch mit Stimmen der AfD durchgesetzt hatte.

Fragen auch zu Umwelt- und Verbraucherschützern

Beim neuen SPD-Fraktionschef stößt die parlamentarische Anfrage der Union auf Unverständnis.

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Die Anfrage hat das Datum 21. Februar, also zwei Tage vor der Wahl. Darin erkundigt sich die Union, welche gemeinnützigen Körperschaften in der abgelaufenen Wahlperiode mit Bundesmitteln gefördert wurden. Es folgen Fragen zu Aktionen, Spenden und politischen Verbindungen - unter anderem zu „Omas gegen Rechts“, Campact, Attac, Amadeu Antonio Stiftung, Peta, Foodwatch, Deutsche Umwelthilfe, Agora Energiewende, Greenpeace und zu den Journalisten-Organisationen Correctiv, Netzwerk Recherche und dem Verein Neue deutsche Medienmacher*innen.

Gefragt wird zum Beispiel: „Gibt es Belege dafür, dass der Verein Omas gegen Rechts Deutschland e. V. einseitige Narrative in politischen Debatten fördert, und wenn ja, welche?“ Oder: „Haben Vorstände oder Führungspersonen der Amadeu Antonio Stiftung politische Ämter oder enge Verbindungen zu Parteien?“ Oder: „Wann wurde die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe e. V. letztmalig durch das zuständige Finanzamt geprüft?“

SPD-Fraktionschef spricht von „Foulspiel“

Klingbeil, der auch zum SPD-Fraktionschef gewählt wurde, nannte die Anfrage ein „Foulspiel“. Im Hinblick auf mögliche Koalitionsgespräche mit CDU und CSU sagte er, dass er sich nicht vorstellen könne, morgens in Arbeitsgruppen zusammenzusitzen und nachmittags solche Anfragen der Union zu erleben. „Die Union sollte noch mal sehr schnell in sich gehen, ob sie daran festhält.“

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die Anfrage ungeheuerlich. „Es sieht alles danach aus, dass Teile der Zivilgesellschaft hier eingeschüchtert werden sollen“, sagte sie der dpa. Die Linke-Abgeordnete Clara Bünger sagte, mit der Anfrage räche sich die Union für „die antifaschistischen Proteste“ und starte einen Angriff auf die Zivilgesellschaft. „Das erinnert an autoritäre Staaten und ist angesichts der Tatsache, dass die Union aller Wahrscheinlichkeit nach die nächste Bundesregierung anführen wird, äußerst besorgniserregend.“

Kritik an „willkürlich anmutender Liste“

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte, unter dem Eindruck der breiten Proteste gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD schlage die Union wüst um sich. „Dass Foodwatch in der willkürlich anmutenden Liste von Organisationen auftaucht, obwohl wir in die Demos gegen Rechtsextremismus überhaupt nicht involviert waren, zeigt: Es geht der Union darum, unbequeme Stimmen einzuschüchtern“, sagte Geschäftsführer Chris Methmann.

Die Amadeu Antonio Stiftung, die nach eigenen Angaben gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus eintritt, kritisierte, es sollten Organisationen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und mundtot gemacht werden. Das Netzwerk Recherche wies „die in den Fragen enthaltenen Unterstellungen“ zurück und nannte es „eine gefährliche Entwicklung, wenn die Union die Gemeinnützigkeit etablierter journalistischer Organisationen in Frage stellt“.

Union rechtfertigt sich

Für die Union verteidigte Fraktionsvize Mathias Middelberg das Vorgehen. „Zivilgesellschaftliches Engagement ist unverzichtbar und förderungswürdig“, sagte der CDU-Politiker. „Allerdings darf öffentlich gefördertes Engagement nicht zu parteipolitischen Zwecken eingesetzt werden.“ Aus diesem Grund habe die Union vor der Wahl die Anfrage gestellt. Die Prüfung der rechtmäßigen Verwendung von Steuermitteln sei eine Kernaufgabe des Parlaments.

Die Bundesregierung will die Anfrage mit hoher Priorität beantworten, wie ihr Sprecher Steffen Hebestreit sagte. Es sei „ein Königsrecht des Parlamentes“, Fragen zu stellen. Man bewerte sie zunächst nicht. Für die Beantwortung federführend ist das Finanzministerium. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte grundsätzlich, die Bundesregierung fördere „ausschließlich Programme und Projekte, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten und das entsprechend ja auch nachweisen müssen“.

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(dpa)