Arme gehen seltener wählen Kluft zwischen Arm und Reich schadet Vertrauen in Demokratie

Berlin (dpa) - Die große Kluft zwischen Arm und Reich droht nach Einschätzung der Bundesregierung das Vertrauen vieler Menschen in die Demokratie in Deutschland zu untergraben. Es gebe eine „verfestigte Ungleichheit bei den Vermögen“.

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Das sagte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) in Berlin unter Berufung auf ihren neuen Armuts- und Reichtumsbericht. „Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens, die untere Hälfte nur ein Prozent.“

Großer Reichtum beruhe oft nicht auf eigener Leistung. So basiere bei zwei von drei Reichen das Vermögen auf Erbschaften oder Schenkungen. „Je weniger aber Reichtum mit eigener Leistung zu tun hat, umso mehr stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit.“ Alarmiert zeigte sich Nahles von der starken Abnahme der Wahlbeteiligung ärmerer Menschen in den vergangenen Jahren. „Dieser Befund ist echt krass“, sagte sie.

Laut dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den die „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag) zuerst berichtete, gingen laut einer Erhebung von 2014 Bezieher hoher Einkommen bei der vorangegangenen Bundestagswahl zu rund 85 Prozent wählen. Bei Geringverdienern waren es nur 71 Prozent. Zehn Jahre zuvor war diese Kluft mit einem Unterschied von 3 Prozentpunkten weit geringer.

„Sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu groß und wird erworbener Reichtum als überwiegend leistungslos empfunden, so kann dies die Akzeptanz der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verringern“, so der Bericht. „Die politische Beteiligung bis hin zur Teilnahme an Wahlen ist bei Menschen mit geringem Einkommen deutlich geringer und hat in den vergangenen Jahrzehnten stärker abgenommen als bei Personen mit höherem Einkommen und der Mittelschicht“, heißt es in dem Bericht, den das Sozialministerium in die Abstimmung der Bundesregierung gegeben hat.

In einer früheren Fassung waren nach der Abstimmung mit dem Kanzleramt Passagen gestrichen worden, wonach Menschen mit mehr Geld mehr Einfluss auf politische Entscheidungen haben als Einkommensschwache.

Die obersten 60 Prozent der Beschäftigten hatten seit Mitte der 90er Jahre laut dem Bericht einen realen Anstieg ihres Bruttolohns. Die Löhne der unteren 40 Prozent der Beschäftigten dagegen sind heute real geringer. So gebe es ganze Branchen wie Transport oder Einzelhandel, in denen die Löhne auf niedrigem Niveau stagnierten.

Zwei Millionen Kinder sind laut dem Bericht armutsgefährdet, weil kein Elternteil erwerbstätig ist oder ein Alleinverdiener nur in Teilzeit arbeitet. Das Armutsrisiko von Kindern liegt bei 64 Prozent, wenn kein Elternteil arbeitet. Trotz Rekordbeschäftigung hat sich der Anteil der von Armut bedrohten Menschen in den vergangenen Jahren nicht verringert.