Katholische Kirche Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene - Bischöfe entscheiden
Die deutschen Bischöfe überlassen die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene der Einzelfallprüfung vor Ort. Mehr Barmherzigkeit am Tisch des Herrn
Düsseldorf. Es gibt diese Geschichte im Markus-Evangelium, als Jesus einen Disput mit Pharisäern über die Sabbatruhe führt. Die Auseinandersetzung mündet in dem geflügelten Lehrsatz Jesu: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ Wenn man will, kann man an diesem einen Satz die Konfliktlinien ausmachen, die die katholische Kirche derzeit aufwühlen: Was zählt am Ende — die Lehrmeinung oder die Barmherzigkeit? In der Frage der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene haben nach Papst Franziskus auch die deutschen Bischöfe der Barmherzigkeit die Tür geöffnet.
Zehn Monate haben sie für diesen Spaltbreit benötigt und schon dieser Zeitraum zeigt, wie sehr der Klerus innerlich ringt. Den Schlüssel für die Türöffnung hatte ihm Papst Franziskus im April 2016 mit dem nachsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“ (lateinisch „Die Freude der Liebe“) in die Hand gelegt. Darin bezieht sich Franziskus auf die Bischofssynoden, die sich 2014 und 2015 im Vatikan mit Ehe und Familie beschäftigt hatten.
In seinem Schreiben bezeichnet der Papst es als kleinlich, „nur bei der Erwägung stehen zu bleiben, ob das Handeln einer Person einem Gesetz oder einer allgemeinen Norm entspricht oder nicht, denn das reicht nicht aus, um eine völlige Treue gegenüber Gott im konkreten Leben eines Menschen zu erkennen und sicherzustellen“.
Mit einem siebenseitigen Wort reagiert die Deutsche Bischofskonferenz jetzt auf das knapp 190 Seiten starke päpstliche Schreiben. In der speziellen Frage, ob Menschen, die geschieden sind und zivilrechtlich erneut geheiratet haben, anders als bisher zur Kommunion zugelassen werden dürfen, lesen die Bischöfe aus „Amoris laetitia“ „keine allgemeine Regel und keinen Automatismus“ heraus. Also stellen auch sie selbst keine Regel auf: „Nicht alle Gläubigen, deren Ehe zerbrochen ist und die zivil geschieden und wiederverheiratet sind, können ohne Unterscheidung die Sakramente empfangen. Erforderlich sind vielmehr differenzierte Lösungen, die dem Einzelfall gerecht werden.“ Im Klartext: Die Zulassung liegt in der Hand der Seelsorger vor Ort.
Für die vier Kardinäle, die im vergangenen Jahr ihre fünf „Dubia“ (Zweifel) an dem Papstschreiben öffentlich gemacht haben, ist damit wahrscheinlich der Kirchen-GAU („größter anzunehmender Unfall“) eingetreten. Dabei hatten die deutschen Kardinäle Joachim Meisner und Walter Brandmüller sowie Carlo Caffarra (Italien) und Raymond Leo Burke (USA) ihren Angriff auf den Papst noch als „Akt der Liebe“ tarnen wollen: „Wir wollen den Papst dabei unterstützen, Spaltungen und Entgegensetzungen vorzubeugen, indem wir ihn bitten, jede Mehrdeutigkeit zu zerstreuen.“
Die vier erzkonservativen Kardinäle gelten als Speerspitze der innerkirchlichen Opposition zu dem reformorientierten Papst, der einerseits an kirchlichen Normen der katholischen Kirchefesthält, andererseits aber erklärt, dass „nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden“ müssten. Über seine Betonung der Barmherzigkeit will Franziskus den Ortskirchen und Bischöfen mehr Autonomie eröffnen — seinen Gegnern ist das ein Graus.
Grabenkämpfe, bei denen sich die deutschen Bischöfe nun offensichtlich auf die Seite des Papstes schlagen — und dabei zugleich die Vielfalt der familiären Lebensformen anerkennen: „Alle, die tagtäglich partnerschaftliche Treue, elterliche Liebe, Fürsorge und Erziehung, Solidarität zwischen den Generationen und aufrechte Beziehungen in ihrem familiären Umfeld leben, leisten einen unendlich wertvollen Beitrag für die Gesellschaft.“
Rückhalt für den Kurs der Bischofskonferenz kommt vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK; unter anderem Träger der Katholikentage) und von der Laienbewegung „Wir sind Kirche“. „Darauf haben viele katholische Frauen und Männer lange und unermüdlich gewartet und dafür gebetet“, reagierte ZdK-Präsident Thomas Sternberg auf das Wort der Bischöfe. „Wir sind Kirche“ kritisiert allerdings, „dass es mehr als neun Monate gedauert hat, bis sich die deutschen Bischöfe auf gemeinsame Aussagen haben einigen können. Damit sind sie mitverantwortlich für die innerkirchlichen Auseinandersetzungen um Amoris laetitia, die in dem Schreiben der vier Kardinäle gipfelten.“