Kritik an CDU-Schulpolitik vor erster Bildungskonferenz
Hamburg (dpa) - Die Abschaffung der Hauptschule im neuen CDU- Bildungskonzept ist vor Beginn der parteiinternen Beratungen an diesem Montag hoch umstritten.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sprach sich gegen die geplante Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem durch Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen aus. „Eine Partei, die ihr Selbstverständnis vom christlichen Menschenbild herleitet, muss für die Vielfalt von Bildungsangeboten stehen und kann nicht alle Kinder in eine Schulform stecken“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan will ihr Programm „Bildungsrepublik Deutschland“ an diesem Montag in Hamburg in einer ersten Konferenz zur Diskussion stellen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wird sie dabei unterstützen. Weitere Bildungskonferenzen sind in Wiesbaden, Saarbrücken und Berlin geplant. Mitte November soll der Antrag des Parteispitze beim Bundesparteitag in Leipzig endgültig beschlossen werden.
„Wir werden auf dem Parteitag ganz sicher keine Abstimmung haben: Hauptschule - ja oder nein“, sagte Bouffier. Scharfe Kritik übte auch der CDU-Landeschef von Baden-Württemberg, Thomas Strobl. „Die Art und Weise, wie die Parteiführung das Thema Hauptschule und Bildung kommuniziert hat, ist ein Desaster“, so Strobl im „Spiegel“.
Hamburgs CDU-Chef Marcus Weinberg sieht dagegen bei der ersten Konferenz, zu der die Landesverbände von Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern eingeladen sind, keine großen Differenzen auf die Partei zukommen. „Die großen Linien sind nicht sehr problematisch“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Der 42 Seiten starke Leitantrag der Bundes-CDU umfasst 97 Punkte. Für Wirbel sorgt vor allem Punkt 40, in dem die CDU nach Jahrzehnten Abschied vom dreigliedrigen Schulsystem nimmt. Künftig soll es in einem Zwei-Wege-Modell in allen Ländern neben dem Gymnasium nur noch eine Oberschule als Schulform geben, in der Hauptschul- und Realschulgang miteinander verbunden werden. „Daneben respektieren wir integrative Systeme und funktionierende Haupt- und Realschulen vor Ort, wo dies dem Elternwillen entspricht“, heißt es in dem Antrag aber auch.
CDU-Generalsekretär Gröhe betonte in der Zeitung „Die Welt“ (Montag), keine generelle Abschaffung der Hauptschule fordere. „Wo Haupt- und Realschulen von den Eltern gewollt werden und gut funktionieren, sollen sie natürlich fortbestehen können.“ Man müsse aber zur Kenntnis nehmen, dass immer weniger Eltern ihre Kinder auf die Hauptschule schicken. „Darauf brauchen wir eine Antwort.“
Das Modell kann den Ländern nicht von Berlin aus verordnet werden. Für ihre Schulsysteme sind allein die Länder zuständig.
Dem Dortmunder Schulforscher Ernst Rösner, der bereits 1989 das Buch „Abschied von der Hauptschule“ schrieb, geht das Konzept der Bundes-CDU nicht weit genug. „Es ist für die CDU ein Sprung nach vorn, aber sie ist zu kurz gesprungen“, sagte er der dpa. Der von Schavan vorgeschlagenen Oberschule fehlten gymnasiale Standards. „Ultimatio Ratio der Eltern bei der Wahl einer weiterführenden Schule ist jedoch das Vorhandensein gymnasialer Standards ab Klassenstufe fünf. Eine Schule, die das nicht anbietet, hat perspektivisch keine Chance.“
Die Lösung des Problems sieht Rösner in einem zweigliedrigen Schulsystem, das unterschiedliche Wege zum Abitur ermöglicht. „Hier Gymnasium, dort gemeinsame Schule, egal wie sie heißt. Das bedeutet aber in beiden Fällen: Gymnasiale Standards ab Klasse fünf. Da führt kein Weg dran vorbei.“