Ärzte ohne Grenzen Kritik an EU-Gipfelbeschlüssen zu Libyen
Valletta (dpa) - Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat scharfe Kritik an den jüngsten EU-Beschlüssen zur Eindämmung der unerwünschten Migration aus Afrika geübt. Mit den Plänen rede sich die EU schön, wie gefährlich die Situation in Libyen tatsächlich sei, kommentierte ein Sprecher.
Bei dem Gipfeltreffen auf Malta sei klar geworden, dass die EU bereit sei, „Tausende schutzsuchende Männer, Frauen und Kinder zu opfern, um sie daran zu hindern, die europäische Küste zu erreichen“.
Der Zehn-Punkte-Plan der EU sieht vor allem eine stärkere Zusammenarbeit mit Libyen vor. Das von einem jahrelangen Bürgerkrieg zerrüttete Land ist das wichtigste Transitland für Migranten, die von Afrika aus nach Europa wollen.
Deswegen soll nun die libysche Küstenwache schnellstmöglich so ausgebildet und ausgerüstet werden, dass sie von Schlepperbanden organisierte Überfahrten in Richtung Europa verhindern kann. Flüchtlinge müssten dann zumindest vorerst in dem nordafrikanischen Land bleiben.
Den Plänen der EU nach sollen sie künftig in angemessenen Aufnahmeeinrichtungen in Libyen versorgt werden. Menschenrechtler bezweifeln jedoch, dass dies möglich ist, da in Libyen immer noch Chaos herrscht.
Laut dem Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Amsterdam, Arjan Hehenkamp, berichten erfolgreich Geflüchtete, dass die Zurückgebliebenen in Libyen in Internierungslagern hungerten, dass sie schikaniert und missbraucht würden. Ähnlich hatten sich zuvor Organisationen wie Oxfam, Pro Asyl und der Paritätische Wohlfahrtsverband geäußert.
Der Chef der konservativen EVP im Europaparlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, sprach in der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag) hingegen von einem „richtigen und starken Signal“, das von dem Gipfel in Valletta ausgehe.
Allein im vergangenen Jahr kamen mit Hilfe von Kriminellen mehr als 180 000 Menschen über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa. Tausende weitere ertranken, weil ihre nicht seetüchtigen Boote kenterten. Nach Angaben der italienischen Küstenwache wurden allein am Freitag bei von ihr koordinierten Einsätzen mehr als 1300 Menschen aus dem zentralen Mittelmeer gerettet, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete.
Neben dem Flüchtlingszustrom aus Richtung Libyen war die Zukunft der EU nach dem geplanten Austritt Großbritanniens das zweite große Thema des Gipfels in Malta. In den nächsten Wochen wollen die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Staaten dazu eine Erklärung ausarbeiten. Sie soll am 60. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März veröffentlicht werden.
Bei dem Treffen auf Malta habe es bereits eine erste gute Diskussion über die wichtigsten Themen gegeben, hieß es aus EU-Kreisen. Dies seien unter anderem Sicherheit, Migration und die sozio-ökonomische Entwicklung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte ihre Ansicht, dass sie - wie auch Frankreichs Präsident François Hollande - ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ für sinnvoll hält. Gemeint ist damit, dass es künftig eine Gruppe von Ländern geben könnte, die bei der europäischen Zusammenarbeit schneller voranschreitet als andere.