Kritik an Steinbrück-Aussagen zu Sportunterricht
Berlin (dpa) - Mit Aussagen zu einem getrennten Sportunterricht von Jungen und Mädchen aus religiösen Gründen hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück neue Kritik auf sich gezogen.
„Das ist eine sehr unglückliche Äußerung von Herrn Steinbrück“, sagte der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), der „Welt“. Steinbrück hatte aus Rücksicht auf Schüler muslimischen Glaubens bei einem Bürgerdialog einen getrennten Sportunterricht als denkbaren Weg bezeichnet, dies aber keineswegs generell befürwortet.
Steinbrück war bei der „Klartext“-Veranstaltung am Mittwoch in Berlin mit Blick auf Forderungen eines muslimischen Vaters nach getrenntem Sportunterricht gefragt worden, wie weit seine Toleranz hier reiche. Daraufhin sagte er: „Wenn Schulen es einrichten können, dann sollen sie es machen. Ich würde da Rücksicht nehmen auf religiöse Überzeugungen. Aber da denkt vielleicht jeder anders.“ Ihm sei die Problematik wegen Schilderungen seiner Frau bewusst. Diese ist Lehrerin in Bonn. Oft würden muslimische Mädchen durch Krankmeldungen vom gemeinsamen Schwimmunterricht ferngehalten. Ehe dies geschehe, sei es sinnvoll, andere Lösungen zu finden.
Buschkowsky betonte: „Junge Leute brauchen moderne gesellschaftliche Orientierung - in Ergänzung oder auch im Gegensatz zu tradierten Familienriten. Mädchen- und Jungenschulen hatten wir vor 150 Jahren.“ Es gebe in Deutschland keine Geschlechtertrennung. Es könne nicht sein, jetzt die gesellschaftliche Uhr zurückzudrehen.
Unterdessen musste Steinbrück in einer neuen Umfrage einen Dämpfer hinnehmen. Laut dem aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ liegt die Zustimmung für seine politische Arbeit nur noch bei 32 Prozent - das sind vier Punkte weniger als im Vormonat. Es ist der schlechteste Wert für ihn seit 2005. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekommt 68 Prozent Zustimmung. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier liegen mit jeweils 54 Prozent Zustimmung weit vor ihrem Kanzlerkandidaten.
Die schwarz-gelbe Koalition nutzte die Schulsport-Aussagen zu neuen Attacken auf Steinbrück. „Getrennter Sportunterricht fördert nicht, sondern behindert die Integration muslimischer Kinder“, sagte Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU). Die Integrationsbeauftragte der Regierung, Maria Böhmer (CDU), sagte der „Bild“-Zeitung: „Peer Steinbrück irrt. Schule, gerade der Sportunterricht, ist ein Ort des sozialen Lernens. Gemeinsames Lernen und gemeinsamer Sportunterricht fördern die Integration“. FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte der „Rheinischen Post“: „Wir wollen Integration auf der Basis unserer Grundrechte - dazu gehört die Gleichberechtigung von Mann und Frau.“
Auch aus Reihen der Grünen kam Kritik an Steinbrück. Memet Kilic, Sprecher für Migrationspolitik, sagte, Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle sei Teil des Grundgesetzes. „Dies darf aber nicht auf Kosten universell gültiger Menschenrechte geschehen.“ Zu diesen gehöre die Gleichberechtigung der Geschlechter.