Analyse Landärzte profitieren stärker von Privatpatienten
Berlin. · Eigentlich hieß es immer, dass Praxisärzte auch deshalb vornehmlich in die Städte gehen, weil dort besonders viele Privatversicherte leben. Der Verband der Privatkassen sieht das gängige Vorurteil widerlegt – und wendet sich gegen eine Einheitsvergütung.
Privatversicherte tragen im ländlichen Raum stärker zum realen Einkommen der dort niedergelassenen Ärzte bei als in den Städten. Zu diesem Schluss kommt der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) in regionalen Untersuchungen für das Saarland und Bayern. Nach Einschätzung des Verbandes stehen diese Ergebnisse für einen bundesweiten Trend.
Eigentlich hieß es immer, dass Praxisärzte auch deshalb vornehmlich in die Städte gehen, weil dort besonders viele Privatversicherte leben. Denn wegen der unterschiedlichen Vergütungssysteme bringen sie den Medizinern deutlich mehr Geld ein als die Behandlung von Kassenpatienten. Darauf hatte kürzlich auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verwiesen. Nach den aktuellen PKV-Untersuchungen ist das aber nur eine „gefühlte Wirklichkeit“.
Zwar konzentrieren sich Privatversicherte tatsächlich eher in den Metropolen. Doch im Vergleich zu den dortigen Praxen profitieren niedergelassene Mediziner auf dem Lande laut PKV zum Teil deutlich stärker von den „Privaten“. Dafür gebe es hauptsächlich zwei Gründe: Zum einen seien Privatversicherte in ländlichen Regionen im Schnitt älter, weshalb sie auch häufiger zum Arzt gingen. Zum anderen seien in den Ballungszentren die Praxismieten, Gehälter für Angestellte sowie weitere Kosten höher, was die Mehrumsätze durch die Privatpatienten dort real schmälere. Beide Faktoren wurden in der PKV-Untersuchung berücksichtigt.
Mehrumsätze von 55 600 Euro pro Jahr und Praxis
Den noch unveröffentlichten Daten für das Saarland zufolge liegt der Anteil der Privatpatienten im Landkreis Merzig-Wadern mit 8,8 Prozent am deutlichsten unter dem Landesdurchschnitt (zehn Prozent). Unter Einbeziehung der Altersstruktur der Versicherten sowie des regionalen Preisniveaus haben die durch Privatpatienten verursachten Mehrumsätze laut PKV-Studie dort aber einen Realwert von rund 55 600 Euro pro Jahr und Praxis. Im Großraum Saarbrücken sind es dagegen nur knapp 38 000 Euro. Gegenüber den anderen Landkreisen im Saarland ist das Gefälle zum Teil sogar noch deutlich höher. So können etwa die Praxisärzte im Landkreis St. Wendel Mehrumsätze im Realwert von durchschnittlich fast 63 000 Euro verbuchen. Das ist mehr als das 1,6-Fache des erzielten Wertes im Großraum Saarbrücken.
Zu ähnlichen Ergebnissen war der Verband der Privatkassen zuvor bereits in einer Regional-Studie über den Freistaat Bayern gekommen. Dort erzielt eine Arztpraxis auf dem Lande im Schnitt einen realen Mehrumsatz durch Privatpatienten in Höhe von 65 191 Euro pro Jahr. Niedergelassene Mediziner in städtischen Regionen und Ballungszentren Bayerns kommen dagegen nur auf durchschnittlich jeweils 53 147 Euro.
Die Zahlen sind Teil einer umfassenden Untersuchung für alle Bundesländer, die gegenwärtig vom PKV-Verband erstellt wird. Derzeit werte man die Daten zu Hessen aus. Auch hier zeigten sich die höheren Mehrumsätze für Landärzte, „sodass dieser Trend auch bundesweit gelten dürfte“, sagte PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther dieser Zeitung.
Durch die bisherigen Ergebnisse sieht der Verband die These widerlegt, dass der Ärztemangel auf dem Lande mit den dort fehlenden Privatpatienten zu tun habe und es deshalb eine Vereinheitlichung der ärztlichen Vergütungssysteme von gesetzlicher und privater Krankenversicherung brauche. Eine solche Vereinheitlichung, wie sie etwa die SPD anstrebe, führe „keineswegs zu einer besseren Verteilung der Ärzte“, warnte Reuther. „Im Gegenteil, wer die Mehrumsätze der Privatpatienten streicht, gefährdet die medizinische Versorgung auf dem Land sogar noch stärker als in den Städten“, meinte Reuther.
In Deutschland gibt es rund neun Millionen Privatversicherte. Mehr als 73 Millionen Menschen sind bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert.