Politik Lebhafter Führungsstreit bei den Grünen
Das Spitzenduo der Öko-Partei streitet mehr als zu führen - Kompromisssuche vor dem Parteitag
Berlin. Hauptstadtkorrespondenten, die über die Grünen berichten, können sich in der nächsten Zeit den Einkauf fürs Frühstück weitgehend sparen. Freitagmorgen lädt Cem Özdemir zum Hintergrundgespräch mit Brötchen, Dienstag seine Co-Vorsitzende Simone Peter. Und vorher noch für die technischen Fragen Bundesgeschäftsführer Michael Keller. Die vielen Termine sind der äußere Ausdruck des inneren Zustandes: In der grünen Führung geht derzeit wenig zusammen.
Wer der Streitsüchtigere von den beiden Parteichefs ist, lässt sich schwer ausmachen. Peter gab am Wochenende indirekt Özdemir die Schuld, als sie öffentlich mahnte, das Amt des Parteivorsitzenden beinhalte auch "Kompromisslinien zu finden und die Partei im Team zu führen, nicht als Ich-AG". Tatsächlich verfügt der 50jährige Schwabe über ein gewaltiges Ego.
Als einer von drei Bewerbern bewirbt er sich derzeit um die männliche Wahlkampf-Spitzenkandidatur der Partei. Das oder ein Ministeramt dürfte er als seine wahre Bestimmung ansehen. Einen Gleichrangigen neben sich erträgt er nur schwer, erst recht nicht eine wie Peter (ebenfalls 50), die auch hart austeilen kann. Im letzten Dezember verlängerte sie urplötzlich den Vertrag mit der damaligen Partei-Pressesprecherin nicht mehr, die Özdemir gern gehalten hätte.
Özdemir vertritt den Realo-Flügel und darin ganz besonders die baden-württembergische Fraktion, die mit Winfried Kretschmann als einzige in Deutschland den Regierungschef in einem Bundesland stellt. Peter steht für die Parteilinke. Es ist eine politisch-persönliche Fehde mit viel Ego und zahlreichen Nickligkeiten. Eine der jüngsten: Özdemir lud Daimler-Chef Dieter Zetsche als Gastredner zum Parteitag, verbunden mit der für linke Grüne provokativen Begründung: "Es muss in unserem Interesse sein, dass die Autos der Zukunft in unserem Land gebaut werden". Özdemir würde gern auch im Bund zusammen mit der CDU regieren - Peter will lieber Rot-Rot-Grün. Im Streit um den steuerpolitischen Teil des Wahlprogramms ist das inzwischen eskaliert.
Özdemir will nicht wieder wie 2013 mit der Forderung nach einer Vermögenssteuer in den Wahlkampf ziehen, die auch Kretschmann ablehnt. Der Realoflügel will allenfalls die Erbschaftssteuer erhöhen. Peter hat hingegen im Sommer gerade ein ausgefeiltes Konzept für eine Vermögenssteuer vorgelegt, ein Prozent ab eine Million Euro. Auf dem Parteitag wären die Züge fast aufeinander zugefahren. Quasi in letzter Minute legte die Fraktionsführung einen Kompromiss vor. Er enthält - beides. Die Vermögenssteuer, allerdings ohne konkrete Steuersätze, und die Erbschaftssteuer. Die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter machten auf diese Weise vor, wie man flügelübergreifend zu Not auch arbeiten kann: Nämlich zusammen.
Am Montag schien den beiden Hauptstreithälsen ein wenig der Schreck in die Glieder gefahren zu sein, zumal immer mehr Mitglieder entnervt sind über das zerrüttete Bild. Jedenfalls versprachen sie sich in der Vorstandssitzung, dass sie den Parteitag gemeinsam zum Erfolg führen wollten. "Das Vertrauensverhältnis zwischen mir und Özdemir ist gut", sagte Peter hinterher. Ein "sehr gut" zu erwarten, fügte sie hinzu, wäre in einer Partei wie den Grünen vermessen. Lebhafter Streit gehöre nun mal dazu.