Linke beklagt „Hexenjagd“ auf Gysi - Koalition erhöht Druck
Berlin (dpa) - Die Parteispitze der Linken hat ihren Fraktionschef Gregor Gysi gegen neue Stasi-Vorwürfe in Schutz genommen. Führende Politiker der Partei werteten das Ermittlungsverfahren gegen den 65-Jährigen am Montag als „Hexenjagd“ und Wahlkampfmanöver.
Die schwarz-gelbe Koalition setzt den mächtigsten Mann der Linken aber weiter unter Druck. FDP-Ost-Experte Patrick Kurth legte ihm sogar nahe, bis zur Klärung der Vorwürfe seine Ämter ruhen zu lassen. Der Stasi-Akten-Beauftragte Roland Jahn begrüßte die Ermittlungen. Gysi selbst sagte wegen einer Schulter-Operation nach einem Ski-Unfall alle Termine in dieser Woche ab.
Am Wochenende war bekanntgeworden, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs einer falschen eidesstattlichen Versicherung eingeleitet hat. Dabei geht es um die Frage, ob Gysi als Anwalt in der DDR mit der Stasi zusammengearbeitet hat oder nicht. Gysi räumt zwar Kontakte zur Stasi ein. Er bestreitet aber vehement, dass er als Spitzel wissentlich oder willentlich Informationen über Mandaten oder andere Personen an die Stasi weitergegeben hat.
Vor Gericht hat sich der Fraktionschef bisher immer erfolgreich gegen solche Vorwürfe gewehrt. Die Parteispitze stellte sich am Montag demonstrativ hinter ihn. „Gregor Gysi genießt die volle Solidarität der gesamten Partei“, sagte Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn. Die Debatte werde „alle Jahre wieder, vorzugsweise in Wahlkampfjahren“ neu begonnen, sagte er. „Es gibt keine substanziell neuen Vorwürfe.“
Fraktionsvize Ulrich Maurer sprach von einer Hexenjagd. „Der schmutzige Teil des Wahlkampfs hat begonnen. Herr Gysi wird seit 20 Jahren gejagt“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“.
Der Stasi-Akten-Beauftragte Jahn hält das Ermittlungsverfahren dagegen für sinnvoll. „Es ist immer gut, Klarheit in strittigen Fragen zu bekommen“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Die Ermittlungen könnten helfen, die unterschiedlichen Darstellungen über mögliche Kontakte Gysis mit dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit aufzuklären.
Der Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für den Aufbau Ost, Kurth, legte Gysi bereits politische Konsequenzen für den Fall einer Verurteilung nahe. „Stimmen die Vorwürfe, ist Gysis Rücktritt unausweichlich“, sagte er. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte Gysi auf, „alle seine Verstrickungen ins SED-Unrecht“ offenzulegen.
Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) rechnet damit, dass Gysi aus dem Rechtsstreit als Sieger hervorgehen wird. „Ich glaube nicht, dass da was folgen wird“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Dienstag). Auch Nachteile für die Linke im Bundestagswahlkampf sieht Thierse nicht. Die Anhängerschaft Gysis und seiner Partei lasse sich durch solche Vorwürfe nicht irritieren. Sie seien für sie vielmehr Anlass zu vermehrter Solidarität.