Dämpfer für Parteispitze Linke-Richtungsstreit eskaliert - Buhrufe für Wagenknecht
Leipzig (dpa) - Die Linke kommt nicht zur Ruhe: Bei einem turbulenten Parteitag haben sich die internen Machtkämpfe und Richtungsstreitigkeiten zugespitzt. Die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger wurden am Wochenende in Leipzig mit deutlichem Dämpfer wiedergewählt.
Im Streit über die Flüchtlingspolitik stellte sich Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gegen den in der Partei verbreiteten Ruf nach grenzenlos möglicher Zuwanderung. Angriffe gegen ihre Person wies Wagenknecht vor 580 Delegierten als „infam“ zurück. In einer hitzigen Debatte traten die Gräben offen zutage.
Fraktions- und Parteispitze kündigten einen gemeinsamen Versuch an, um ihren Streit nun in geordnete Bahnen zu lenken. Riexinger räumte „weiteren Diskussionsbedarf“ ein. Parteivorstand und Fraktion würden die unterschiedlichen Positionen nun in einer gemeinsamen Klausur diskutieren.
Vor allem Kipping und Wagenknecht liefern sich seit Monaten einen erbittert ausgetragenen Streit über den Kurs und den Einfluss und das Agieren in der Partei. In der Zuwanderungsfrage geht es darum, ob Deutschland generell oder nur bedingt offen für Flüchtlinge und andere Migranten sein soll.
Bei der Parteibasis stoßen die internen Kämpfe des Spitzenpersonals auf wachsenden Unmut. Mit mäßigem Ergebnis wurden Kipping und Riexinger als Vorsitzende bestätigt. Kipping erhielt mit 64,5 Prozent der Stimmen ihr bislang schlechtestes Ergebnis. Vor zwei Jahren hatte sie 74 Prozent bekommen. Für Riexinger stimmten 73,8 Prozent. Kipping und Riexinger stehen seit 2012 an der Spitze der Linkspartei. Sie wurden nun für zwei weitere Jahre gewählt, danach soll ihre Amtszeit laut Satzung enden.
Wagenknecht bemängelte Angriffe und Unterstellungen gegen sie und ihre Anhänger und forderte ein Ende des Streits: „Wenn mir und anderen Genossinnen und Genossen aus den eigenen Reihen Nationalismus, Rassismus oder AfD-Nähe vorgeworfen wird, dann ist das das Gegenteil einer solidarischen Debatte.“ Sie sagte: „Ich finde das infam.“ Die Linke dürfe sich nicht zerlegen, sondern müsse dafür sorgen, dass Alexander Gaulands AfD „zu einem Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ werde, sagte sie in Anspielung auf ein Zitat Gaulands zum Nationalsozialismus.
Spitzenleute und Delegierte der verschiedenen Lager forderten in Leipzig vergeblich, mit dem Streit müsse Schluss sein. „Das ist ein zerstörerisches Gift“, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch. Kipping mahnte, nur zusammen könne die Linke den Rechtsruck in Deutschland aufhalten.
Mit großer Mehrheit beschlossen die Delegierten die Forderung nach „offenen Grenzen“ für Schutzsuchende und legalen Fluchtwegen. Fluchtursachen müssten bekämpft werden. Eine „soziale Offensive“ für alle Menschen in Deutschland sei nötig. Wagenknecht bekräftigte ihre Position, dass es keine unbeschränkte Arbeitsmigration geben dürfe. Dazu schweige sich der vom Vorstand eingebrachte Leitantrag aber aus. Unter turbulenten Umständen setzte ein Delegierter mit nur einer Stimme Vorsprung eine Debatte zu diesem Konflikt durch, die die Differenzen deutlich machte.
Buhrufe erhielt Wagenknecht, als sie sagte: „Den Hungernden in Afrika nützen offene Grenzen nichts, weil sie gar nicht die Mittel haben, sich auf den Weg (nach Europa) zu machen. Die Allerärmsten der Welt brauchen unsere Hilfe vor Ort.“ Viele Delegierte verteidigten Wagenknecht aber auch ausdrücklich.
Ihren Kandidaten für die Bundesgeschäftsführung, Jörg Schindler, brachte die Linken-Spitze in Leipzig nur mit hauchdünnem Vorsprung von drei Stimmen durch. Der Vize-Landeschef von Sachsen-Anhalt gewann gegen den ehemaligen Abgeordneten Frank Tempel.
Kipping sieht sich ungeachtet des Dämpfers bei ihrer Wiederwahl in ihrem Kurs bestätigt. „Ich wollte kein Kuschel-Ergebnis, sondern habe sehr klar für meine politischen Überzeugungen gekämpft“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Wagenknecht verteidigte ihr Projekt einer linken Sammlungsbewegung - diese solle die Linke nicht schwächen, sondern stärken. Die Parteichefs lehnen eine solche Bewegung ab. Sie setzten das Bild der Linken als „Partei in Bewegung“ dagegen.