Linksextremisten auf Gewaltkurs

Nach Brandanschlägen auf Autos richten sich die Attentate nun gegen die Bahn. Mitarbeiter finden weitere Bomben.

Berlin. Vielleicht verhinderte nur der Regen ein Verkehrschaos oder Schlimmeres am Berliner Hauptbahnhof und anderen Bahnstrecken. Täter aus der linksextremen Szene planten gegen technische Anlagen der Bahn in der Hauptstadt noch mehr Brandanschläge als zunächst bekannt war. Am Dienstag fanden Bahn-Angestellte weitere Brandbomben. Ganz gezielt richten sich die Anschläge gegen die empfindliche Technik der Bahn, besonders gegen Leitungen und Kabel, über die der Zugverkehr gesteuert wird.

Ein neues Ausmaß der politischen Kriminalität linksextremer Gruppen ist das nicht. Allerdings die gefährliche Fortsetzung extremistischer Gewalttaten der vergangenen Jahre: Hunderte Brandanschläge auf Autos in Berlin und Hamburg, Angriffe auf Polizeiwachen, Brandbomben in Arbeitsämtern und Steinwürfe auf Polizisten bei Krawallen nach Demonstrationen.

Die Taten richten sich gegen den seit zehn Jahren andauernden Afghanistan-Krieg, gegen Neonazis, den Kapitalismus im allgemeinen oder den Umbau mancher Stadtviertel. Das Anschlagsziel Bahn begründeten die Täter im aktuellen Fall in einem Bekennerschreiben: „Jeden Tag werden über die Schienen Waffen und Kriegslogistik transportiert.“

Beliebt sind bei Linksextremisten Brandanschläge auf moderne Verkehrstechnik, weil ein relativ geringer Aufwand eine hohe Wirkung erzeugt — sofern die Anschläge nicht größtenteils scheitern wie aktuell in Berlin. Die Gefahr, gefasst zu werden, ist für die Täter gering. Sie platzieren nachts an wenig belebten Stellen Brandbomben und hinterlassen kaum Spuren.

Die linksextreme Szene ist aber nicht nur in Berlin aktiv. Ein weiterer Schwerpunkt von Taten liegt in Hamburg. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte bereits im Juli vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft von Links- und Rechtsextremisten. „Wir haben die Gefahr einer Gewaltspirale.“

2010 gab es noch einen Rückgang auf 3747 erfasste Straftaten von Linksextremisten. Doch in den ersten fünf Monaten 2011 stieg deren Zahl deutlich an. Zum Ende dieses Jahres dürfte die Zahl höher ausfallen als 2010. Die Ermittler schätzen, dass die linksextremistische Szene rund 32 200 Menschen umfasst.

Warnungen von Polizeigewerkschaften, mit den Brandanschlägen drohe ein Terrorismus wie zu Zeiten der Rote-Armee-Fraktion, hält der Protestforscher Simon Teune allerdings für „reflexhaft“. „Ich halte das für maßlos übertrieben“, sagte Teune, der am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung arbeitet. Den Gruppen gehe es um Sachbeschädigungen. „Der Anspruch von solchen Aktionen ist, dass Menschenleben nicht gefährdet sind. Inwiefern das wirklich ausgeschlossen werden kann, ist eine andere Frage.“