Lucke und Henkel führen AfD in Europa-Wahlkampf
Aschaffenburg (dpa) - Mit massiver Kritik an der Politik in Berlin und Brüssel wollen die Eurogegner der Alternative für Deutschland (AfD) in das Europaparlament einziehen. Die Partei kürte ihren Sprecher Bernd Lucke und Ex-BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel in Aschaffenburg zu ihren Spitzenkandidaten.
„Mehr Europa ist nicht die Antwort auf Europas Probleme“, sagte Lucke. „Wir brauchen den Mut, offen über Vorteile und Nachteile auch für das eigene Land zu reden.“ Den Austritt aus dem Euro forderte Lucke nicht. „Mut zu Deutschland“ ist das Wahlkampfmotto.
Der 51-jährige Parteichef trat ohne Gegenkandidat an und wurde mit 261 von 305 Stimmen an die Spitze der Liste gewählt. Henkel setzte sich mit 248 von 318 Stimmen gegen einen weiteren Bewerber für Platz zwei durch. Auf den nächsten Listenplätzen folgen Bernd Kölmel aus Baden-Württemberg, die als ultrakonservativ geltende Berlinerin Beatrix von Storch und der Ökonom Joachim Starbatty.
Henkel, der frühere Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), wurde von den rund 300 Delegierten stürmisch begrüßt - er war der Partei erst vor kurzem beigetreten. Henkel bürge für die Seriosität der wirtschafts- und währungspolitischen Vorstellungen der AfD, sagte Lucke.
Zuvor hatte der Mitbegründer der Partei Regierung und Opposition in Berlin scharf angegriffen und gegen die „Schmalspurpolitik der Altparteien“ gewettert. Die Bundesregierung lasse sich von den Krisen in Europa treiben. Lucke kritisierte den Eurorettungsschirm ESM und die Politik der Europäischen Zentralbank EZB. „Das ist keine Demokratie“, erklärte der Hamburger Wirtschaftsprofessor. Demokratische Parlamente würden entmachtet „zugunsten einer Technokraten-Regierung“.
Lucke lehnte eine Zusammenarbeit mit den britischen EU-Kritikern von der UK Independence Party (Ukip) erneut ab. Die Ukip schlage in ihrer Zuwanderungskritik einen Tonfall an, „der mir nicht behagt“, sagte Lucke. Eine Diskussion um Zuwanderung sei berechtigt, müsse aber mit Fingerspitzengefühl geführt werden und dürfe nicht zu Ausschreitungen Anlass gegeben.
Henkel lehnte eine EU-Mitgliedschaft der Türkei entschieden ab. Das Land habe sich von Europa entfernt. „Die Türkei ist nicht mehr demokratisch“, sagte der 73-Jährige. Die Menschenrechte würden dort wie in anderen islamischen Ländern mit Füßen getreten. Das gelte besonders für die Rechte der Frauen.
Weil bei der Wahl des Europaparlaments am 25. Mai eine Drei-Prozent-Hürde gilt, rechnet sich die AfD gute Chancen aus. Im September hatte sie mit 4,7 Prozent der Stimmen den Einzug in den Bundestag knapp verfehlt. Aktuelle Umfragen sehen sie bei 4 bis 5 Prozent.
Auf Plakaten will die AfD mit dem Slogan „Mut zu DEUtschland“ werben, wobei die Buchstaben EU in Form der europäischen Flagge hervorgehoben werden. Nach massiven innerparteilichen Querelen in den vergangenen Monaten bemühte sich die Führung der AfD, in Aschaffenburg die Reihen zu schließen und auch die Debatte über rechtspopulistische Einflüsse zu beenden. „Ich habe nicht einen einzigen Verrückten oder Neonazi oder Spinner gesehen“, sagte Henkel.
Das Wahlprogramm für die Europawahl soll erst auf einem weiteren Parteitag am 22. und 23. März in Erfurt beschlossen werden. In einem Entwurf hieß es unter anderem, Deutschland müsse entsprechend seiner Einwohnerzahl und Bedeutung mehr Gewicht in europäischen Institutionen erhalten.
Die Delegierten wurden vor der Tagungshalle mit Protesten begrüßt. In der Nacht waren Parolen wie „Haut ab“ an die Eingangstore gesprüht worden. Am Nachmittag demonstrierten rund 120 Demonstranten eines Bündnisses gegen Rechtspopulismus friedlich gegen den AfD-Parteitag.