SPD Martin Schulz: "Ich bin der ideale Sündenbock"
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat im Rückblick schwere Fehler eingeräumt, sieht sich aber zugleich als Sündenbock seiner Partei.
Berlin. „Ich habe dumme Fehler gemacht und mich damit auch meinen Gegnern ausgeliefert“, sagte Martin Schulz dem „Spiegel“-Autor Markus Feldenkirchen. „Ich habe das falsch eingeschätzt mit dieser Glaubwürdigkeitslücke. Komplett falsch eingeschätzt.“
Schulz hatte nach der Bundestagswahl erklärt, dass er nicht in eine Regierung von Angela Merkel (CDU) eintreten würde, nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD aber ankündigt, er wolle als SPD-Chef zurücktreten und Außenminister werden. Nach massiver Kritik aus der Partei sah er sich schließlich gezwungen, auch auf das Auswärtige Amt zu verzichten.
Als Wendepunkt sieht Schulz die Entscheidung der SPD, nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen doch mit der Union über eine Regierung zu verhandeln. „Da hätte ich zurücktreten müssen. Zu dem Zeitpunkt hätte ich gehen müssen“, sagte der 62-Jährige. Er habe den Schwenk zunächst nicht gewollt. Aber er habe damals gedacht, wenn der Bundespräsident ihn zu sich zitiere, könne er nicht Nein sagen oder zurücktreten. Seine Disziplin sei ihm zum Verhängnis geworden.
„Ich war ein glückloser Parteiführer“, sagte Schulz im Rückblick. „Ich glaube, ich bin nicht politisch gescheitert, aber sicher teilweise an den Strukturen der Partei zerschellt.“ Die SPD könne gnadenlos sein. „Ich bin der ideale Sündenbock für alles, was die Partei seit Jahren falsch gemacht hat.“
Aus dem Satz, dass er nicht in eine Regierung von Merkel eintreten würde, habe man ihm einen Strick gedreht. Dabei sei dieser Satz direkt nach der Bundestagswahl und damit zu einem Zeitpunkt gefallen, als die ganze Partei gegen einen Eintritt in die Regierung gewesen sei. „Jetzt geht die ganze Partei in die Regierung, nur der Parteichef darf es nicht.“
Seine Freundschaft zu Sigmar Gabriel war spätestens mit Schulz' Entscheidung, ins Auswärtige Amt zu wechseln, endgültig zerbrochen. Als Schulz dem amtierenden Außenminister seinen Entschluss am 7. Februar mitteilte, kam es dem Bericht zufolge zu einem heftigen Schlagabtausch. Nach dem Gespräch schickte Gabriel Schulz demnach diese SMS: „Es bleibt dabei, Du willst mich für Deine Zukunft opfern.“ Heute sitzen beide als einfache Abgeordnete im Bundestag.
Die Aussagen stammen aus einem Vorabdruck des Buches „Die Schulz“-Story, über den der „Spiegel“ in seiner neuesten Ausgabe berichtet. „Spiegel“-Autor Feldenkirchen hatte Schulz während des Wahlkampfes monatelang begleitet, nun schreibt er die Geschichte fort. Er schildert den SPD-Chef kurz vor seinem Rücktritt als zutiefst erschöpften Mann. „Gott bin ich müde. So unfassbar müde“, sagte der 62-Jährige da. „Ob ich jemals wieder fit werde, weiß ich nicht. Ich glaube, ich brauche ein halbes Jahr, um wieder zu Kräften zu kommen.“
Schulz war vor rund einem Jahr bei einem Parteitag mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen SPD-Parteivorsitzenden gewählt worden. „Der ganze Vorstand hat diese 100 Prozent damals genau wie Martin Schulz selbst eher als Belastung empfunden, da sie Erwartungen schürte, die niemand zu erfüllen vermag“, sagte Fraktionschefin Andrea Nahles, die sich am 22. April in Wiesbaden zur neuen Parteichefin wählen lassen will, der österreichischen Zeitung „Die Presse am Sonntag“. Sie erwarte beim SPD-Sonderparteitag in Wiesbaden am 22. April kein derart deutliches, sondern ein „solides“ Ergebnis. „Messianische Erweckung wird man mit (Interims-Parteichef) Olaf Scholz und Andrea Nahles nicht erleben“, sagte Nahles. dpa