Lehren aus dem US-Wahlkampf "Mehr Emotionen und eine verständlichere Sprache"

Was deutsche Parteien vom Wahlausgang in den USA lernen können.

Donald Trumps Wahlkampf war auf schlichten und provozierenden Botschaften aufgebaut. Auch in Deutschland gewinnen solche Positionen an Popularität.

Donald Trumps Wahlkampf war auf schlichten und provozierenden Botschaften aufgebaut. Auch in Deutschland gewinnen solche Positionen an Popularität.

Foto: dpa

Berlin. Der jüngste Präsidentschaftswahlkampf in den USA ist zweifellos einer der schmutzigsten und schrillsten in der Geschichte des Landes gewesen. Gerade die schlichten und provozierenden Botschaften Donald Trumps, vermischt mit glatten Lügen und blanker Hetze sorgten jedoch für seinen Triumph. Was können die Parteien in Deutschland daraus lernen? Schließlich rüttelt hier die AfD vernehmbar am etablierten System - und fährt damit ebenfalls Wahlerfolge ein.

Von einem Votum "gegen Altparteien und Lügenpresse" sprachen führende AfD-Funktionäre dann auch prompt angesichts des Wahlausgangs in den USA. Wieviel Trump geht in Deutschland? Gemessen an den Beleidigungen und Schmähungen in den Sozialen Netzwerken offenbar eine ganze Menge. Im Zuge der Digitalisierung haben die klassischen Medien ihr Informationsmonopol verloren.

Immer mehr Menschen orientieren sich nur noch im Internet. Und dort sind die Quellen häufig sehr zweifelhaft. Wolfgang Schäuble (CDU) sieht mit großer Sorge, dass es völlig egal sei, "ob Behauptungen wahr sind - Hauptsache der Empörungsgrad stimmt". Manchem mag das zu pauschal klingen. Aber die etablierten Parteien stehen hier zweifellos vor enormen Herausforderungen.

Es sei deutlich schwieriger geworden, mit einer Botschaft durchzudringen, was auch daran liege, "dass sich heute jeder - gerade durch die Sozialen Netzwerke - seine eigene Öffentlichkeit suchen und organisieren kann", sagt Juliane Seifert. Die Bundesgeschäftsführerin der SPD hat sich den Wahlkampf von Demokraten und Republikanern vor Ort angeschaut. "Ganz offenkundig hat die etablierte Politik die untere Mittelschicht in den USA nicht mehr erreicht", lautet ihr Befund. Notwendig seien deshalb andere Formen der Kommunikation. "Als Partei müssen wir stärker den direkten persönlichen Kontakt zum Wähler organisieren, ihm zuhören und stärker beteiligen", so Seifert. Das Problem ist freilich, dass die etablierten Parteien angesichts sinkender Mitgliederzahlen immer schwerer zu derlei Aktionen fähig sind.

Auch der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, erlebte die aufgeheizte Wahlstimmung bei Besuchen in New York und Washington hautnah mit. Seine Schlussfolgerung: "Etablierte Politik braucht mehr Emotionen und eine verständlichere Sprache, ohne deshalb in AfD-Muster zu verfallen". Das bedeute, dass man auch auf Facebook oder Twitter sehr präsent sein müsse, "um dort für unsere Politik zu werben und als sichtbarer Gegenpol zu Rechtspopulisten zu wirken".

Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter ist indes überzeugt davon, dass ein Wahlkampfstil al a Trump in Deutschland "viel größere Abstoßeffekte" hätte als in den USA. Auch weil das Wählerpotenzial der AfD nicht bei 50, sondern "nur" bei etwa 15 bis 20 Prozent liegt. "Das ist schon ein großer Unterschied", sagt Falter. Zweifellos sind die Extreme hierzulande im internationalen Vergleich immer noch relativ gering ausgeprägt.

Dafür spricht auch, dass nach einer aktuellen Forsa-Umfrage fast 60 Prozent der Bundesbürger eine erneute Kanzlerkandidatur von Angela Merkel begrüßen würden. Trotz ihrer hoch umstrittenen Flüchtlingspolitik. Forsa-Chef Manfred Güllner rät den etablierten Partien deshalb auch, sich im anstehenden Bundestagswahlkampf um die Sorgen der Mehrheit der Menschen zu kümmern anstatt "nur um die Ränder". Die AfD-Wähler seien trotz aller Wahlerfolge eine Minderheit, so Güllner.

Den Wettlauf im Populismus können Union, SPD & Co ohnehin kaum gewinnen. Sie müssen eine Vielfalt an verschiedenen Interessen abdecken. Vermeintlich einfache Lösungen sind da schwer. CDU-Mann Schäuble hat es auf den Punkt genbracht: "Ohne die Bereitschaft, die Komplexität dieser Welt des 21. Jahrhunderts anzuerkennen, geht es nicht".