Mehr Fürsorge für attackierte Polizisten
Bund plant Gesetz zur Übernahme von Schmerzensgeld. Dafür gibt es Lob von der GdP.
Berlin. Immer mehr Polizisten in Deutschland werden selbst Opfer von Gewalttaten. Zwar steht ihnen dann in der Regel Schmerzensgeld zu, doch wenn die Täter mittellos sind, gehen die Beamten leer aus. Ein neues Gesetz soll das ändern.
Polizisten leben gefährlich. Ein blaues Auge, aufgesprungene Lippen bis hin zu schweren Schädelverletzungen sind nicht ungewöhnlich im Dienstalltag. Laut Kriminalstatistik wurden allein im vergangenen Jahr 58.525 Ordnungshüter zu Geschädigten wegen vollendeter Gewaltdelikte - 1084 mehr als 2014. Im Schnitt wurden also täglich 160 Sicherheitsbeamte Opfer von Straftaten. Eine maßgebliche Rolle spielen dabei vorsätzliche einfache Körperverletzungen. Ihre Zahl ist 2015 um 8,6 Prozent gestiegen. Die Fälle, in denen Polizisten gefährliche und schwere Körperverletzungen erlitten, nahmen um fast fünf Prozent zu.
Ähnlich ist die Tendenz bei Bedrohungsdelikten und dem Straftatbestand des Widerstandes gegen Polizeivollzugsbeamte. Hier gingen die Fallzahlen zuletzt um zwei beziehungsweise 0,8 Prozent nach oben. Wird der Täter dingfest gemacht, sprechen die Gerichte den Opfern zumeist Schmerzensgeldansprüche zu. Für die Verfolgung dieses Anspruchs können die Geschädigten zwar den Rechtsschutz durch ihren Dienstherrn, also Bund oder Länder, in Anspruch nehmen. Doch scheitert die Vollstreckung häufig an der mangelnden Zahlungsfähigkeit des Täters.
Nun will die Bundesregierung handeln. Ein Gesetzentwurf, der voraussichtlich noch vor der parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli im Bundestag verabschiedet wird, sieht in solchen Fällen künftig eine Kostenübernahme durch den Dienstherrn vor. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die sich dafür schon länger stark gemacht hatte, begrüßt den Schritt. "Wir haben ein hohes Maß an Übergriffen gegen Vollstreckungsbeamte. Da ist es ein gutes Signal, wenn der Dienstherr nun handelt und die Geschädigten zu ihrem Recht kommen", meinte GdP-Vize Jörg Radek im Gespräch mit unserer Zeitung. Weniger zufrieden ist die Gewerkschaft mit dem vom Bund geschätzten Kostenaufwand. Im Gesetz ist von jährlich 225.000 Euro die Rede. Diese Kalkulation basiert auf gerade einmal 45 Fällen im Jahr. Zwar gibt es darüber keine Statistik. Die GdP geht aber von deutlich höheren Fallzahlen aus. Viele einschlägige Delikte kämen gar nicht zur Anzeige, weil die Geschädigten kaum Aussicht auf Erf olg sehen würden, erläuterte Radek. Das könnte sich künftig ändern.
Ein weiterer Knackpunkt ist die im Gesetzentwurf enthaltene Bagatellgrenze von 500 Euro, unterhalb der ein Betroffener nicht mit der Hilfe seines Dienstherrn rechnen kann. "Wir wissen aus der Rechtssprechung, dass 30 Prozent der beklagten Fälle zu einem Schmerzensgeldanspruch von weniger als 500 Euro führen", sagte Radek. Darunter falle zum Beispiel das Bespucken oder Beleidigen von Beamten. Wie der zuständige SPD-Innenexperte Matthias Schmidt (SPD) auf Anfrage unserer Zeitung erklärte, soll die Grenze im weiteren parlamentarischen Verfahren nun auf 250 Euro abgesenkt werden. "Wir brauchen sicher eine Bagatellgrenze, um die Verwaltung nicht zu belasten. Aber ich finde, sie sollte niedriger sein", so Schmidt. Darüber sei man sich auch mit der Union einig.
Die Übernahme der Schmerzensgeldansprüche durch den Dienstherrn im Falle der Zahlungsfähigkeit des Täters ist bislang nur in Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein per Gesetz geregelt. Ähnliche Bestimmungen planen neben dem Bund auch Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie das Saarland.