Merkel: Derzeit kein Spielraum für Steuerentlastungen
Berlin (dpa) - Arbeitnehmer können auf keinen raschen Abbau heimlicher Steuererhöhungen durch die sogenannte kalte Progression hoffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht aktuell keinen Spielraum für eine Steuerentlastung.
Dies bekräftigte sie nach Angaben aus Teilnehmerkreisen auf einer CDU-Vorstandssitzung am Montag in Berlin. Schon vergangene Woche hatte Regierungssprecher Steffen Seibert betont, 2014 und 2015 gebe es keine Spielräume. Auch CSU-Chef Horst Seehofer sieht für die nächsten ein bis zwei Jahre keine Möglichkeiten für Steuersenkungen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) dämpfte ebenfalls Hoffnungen, die Koalition könnte das Problem zügig in Angriff nehmen. Die SPD dringt inzwischen nicht mehr auf eine Gegenfinanzierung durch höhere Steuern für Spitzenverdiener. „Das muss aufgrund der hohen Steuereinnahmen in dieser Legislaturperiode auch ohne Steuererhöhungen und auch ohne soziale Kürzungen möglich sein“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Entlastung bei der „kalten Progression“ sei sozial gerechtfertigt. „Die SPD teilt hier ausdrücklich die Forderung der Gewerkschaften“, betonte Gabriel. In den Ländern wird weiter eine Gegenfinanzierung angemahnt.
Zwischen Union und SPD ist strittig, wie eine Entlastung ohne Mindereinnahmen für die Staatskassen finanziert werden könnte. Die Sozialdemokraten hatten lange auf höhere Steuersätze für Spitzenverdiener gepocht. Zugleich hatte die SPD in der Vergangenheit den Abbau von Steuervergünstigungen vorgeschlagen, was bisher aber vor allem die CSU strikt ablehnt. Der Effekt der „kalten Progression“ bewirkt, dass Lohnsteigerungen bei entsprechend hoher Inflation durch höhere Steuersätze wieder aufgezehrt werden.
Gabriel betonte, aus SPD-Sicht müsse die große Koalition bis 2017 drei Ziele erreichen: „Konsolidieren, investieren und entlasten. Alle drei Maßnahmen sind für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands wichtig“, sagte der Wirtschaftsminister.
Nach den Worten Seehofers stehen an erster Stelle ein schuldenfreier Bundeshaushalt und die geplanten Zukunftsinvestitionen von 23 Milliarden Euro. „Es ist ein unehrlicher Umgang, wenn man das Eine noch gar nicht erledigt hat (...) gleichzeitig darüber zu philosophieren, wie man weitere zwischen fünf und zehn Milliarden Euro ankündigen könnte für den Abbau der steuerlichen Progression.“
Für die CDU haben nach Aussage von Generalsekretär Peter Tauber Haushaltskonsolidierung und Verzicht auf Steuererhöhungen Vorrang. Wenn es dann einen Überschuss gebe, könne man sich neu Gedanken machen.
Kauder mahnte im ZDF, „man sollte jetzt die ganze Diskussion um die sogenannte kalte Progression einstellen“. Bei einer Eindämmung der „kalten Progression“ würde Kommunen und Ländern Geld fehlen, das sie dann vom Bund zurückverlangen würden: „Da gibt es schon noch die eine oder andere Frage miteinander zu diskutieren.“ Das Problem könne dann ab 2015 oder 2016 angegangen werden.
Hessens Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier betonte: „Wir müssen uns darauf konzentrieren, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wir haben genug zu tun, den Koalitionsvertrag umzusetzen.“ Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe darauf hingewiesen, was schon immer Absicht der Union gewesen sei. Es gebe zwei Ziele: Keine neuen Schulden und zugesagte Leistungen umsetzen.
Die Grünen sehen keinen finanziellen Spielraum für Entlastungen ohne Gegenfinanzierung. Dies könnten die Länder nicht verkraften, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). „Solange Herr Schäuble nichts vorlegt, werden wir nicht folgen.“
Aus Sicht des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK gibt es trotz zusätzlicher Steuermehreinnahmen keine Spielräume. Die Wirkungen durch die „kalte Progression“ würden zuletzt überschätzt. Eine nüchterne Analyse sei geboten. Der Einkommensteuertarif sollte aber an die Inflation angepasst werden.