Politik Merkel im "Standby"-Modus

Die Kanzlerin wirkte zuletzt müde und abgespannt - die Herausforderungen sind groß

Bundeskanzlerin Angela Merkel am 6.02.2017 in München bei einer Pressekonferenz nach dem Spitzentreffen von CDU und CSU in der Parteizentrale.

Foto: Sven Hoppe

Berlin. Es ist die Macht der Bilder. Angela Merkel blass, müde, mit dunklen Augenringen und hängenden Mundwinkeln. Nur ganz selten huscht ihr ein Lächeln über das Gesicht. So erlebte man die Kanzlerin kürzlich in München, als sie neben Horst Seehofer den neuen Unionsfrieden und die Zustimmung der CSU zu ihrer Kanzlerkandidatur verkündete. "Beunruhigend" fanden das damals schon viele in der Union, Merkel soll über die Bilder selbst erschrocken gewesen sein. Die Kanzlerin wirkte auch in den letzten Tagen mächtig ausgelaugt. Was ist nur los mit ihr?

Zur Macht der Bilder gesellt sich die der Worte: Beim großen Unionsempfang am Vorabend der Bundespräsidentenwahl hielt Merkel eine eher lustlose Rede. Obwohl die CDU-Chefin bei solchen Gelegenheiten für ihren spontanen Witz bekannt ist. In der Bundesversammlung sah man sie dann gequält applaudieren, wenn überhaupt. Einzig während ihrer Begegnungen mit der Travestie-Künstlerin Olivia Jones und Bundestrainer Jogi Löw versprühte sie Heiterkeit. Dabei hatte sie noch in der Fraktionssitzung kurz zuvor mit Elan angekündigt, sie werde "fröhlich" in den Wahlkampf ziehen. Dass da mancher inzwischen Zweifel hat, belegen Hinweise aus der Parteiführung: "Wir müssen als Union auch davon überzeugt sein, dass es sinnvoll ist, uns wieder zu wählen. Das kann man nicht mit schlechter Laune machen", so Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer.

Merkel hat einen Höllenjob. Immer im Dienst. Um sechs Uhr aufstehen, zwischen sieben und acht Uhr im Kanzleramt, 8.30 Uhr Morgenlage mit den wichtigsten Mitarbeitern. Dann folgen Termine, Termine, Termine. Feierabend hat sie nur selten vor Mitternacht. Dazu die vielen Auslandsreisen. Seit zwölf Jahren der gleiche Rhythmus, der kräftezehrende Alltag - und immer neue Krisen, die sie bewältigen muss. Die, die Merkel besonders gut kennen, sagen, dass sie zwischendurch für eine gewisse Zeit in den "Standby"-Modus schalte, um trotz des täglichen Mammutprogramms ein wenig aufzutanken. Dann wirke die 62-Jährige mitunter abwesend. So wie zuletzt.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite erlebt Merkel gerade eine politische Phase, die für sie völlig neu ist: Mit Martin Schulz hat die SPD einen Gegenkandidaten aufgestellt, der ihr plötzlich gefährlich werden könnte. Schon schreiben die ersten Medien von "Kanzlerinnendämmerung", weil sich die guten Umfragen für die SPD verfestigen und die Union darauf ratlos und nervös reagiert. Einfacher wird es für Merkel auch aus anderen Gründen nicht: Im Wahljahr 2017 warten viele außenpolitische Herausforderungen auf sie. Deutschland hat die G-20-Präsidentschaft, die Kanzlerin muss Europa bei den Brexit-Verhandlungen zusammenhalten und die Neuausrichtung der transatlantischen Beziehungen mit einem US-Präsidenten Donald Trump vorantreiben. Dazu die Griechenland- und Eurokrise, womöglich der Vormarsch der Rechten bei den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden. Keine Frage, das wird ein schweres Jahr für Merkel.

Innenpolitisch kommt obendrein noch das zerrüttete Verhältnis zu CSU-Chef Horst Seehofer hinzu; seiner Rückendeckung kann sie sich im Wahlkampf nicht sicher sein. Keiner von beiden gibt sich große Mühe, bei öffentlichen Begegnungen die wechselseitige Abneigung zu verbergen. Und dann sind da noch die vielen Anfeindungen wegen ihrer Flüchtlingspolitik, was Merkel in der Form bisher nicht widerfahren ist. Das kann auch zermürben. Wahr ist jedoch ebenso: Wenn es darauf ankommt, kann Merkel kämpfen. "Wer sie unterschätzt, hat schon verloren", so eine Vertraute. Vor allem dann, wenn sie wieder Kraft getankt hat.