Merkel: Jüdisches Leben gehört zu uns
Berlin (dpa) - Demokratische Parteien, Kirchen und Vertreter der Gesellschaft haben nach den antisemitistischen Ausschreitungen in Deutschland ein klares Zeichen gegen Judenhass gesetzt.
„Wir wollen, dass sich Juden in Deutschland sicher fühlen. Sie sollen spüren, dass dieses Land unser gemeinsames Zuhause ist“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, betonte: „Wir sind hier, um gemeinsam und geschlossen zu zeigen: Keinen Platz für Judenhass.“
An der Demonstration nahmen nach Angaben des Zentralrates rund 8000 Menschen teil, die Polizei hatte anfangs von 4000 gesprochen. Mit der Kundgebung werde „ein Zeichen gegen Antisemitismus, gegen Extremismus und gegen Menschenfeindlichkeit sowie für Respekt vor dem Glauben und der Kultur des jeweils anderen gesetzt, sei er Jude, Muslim oder Christ“, sagte Merkel. „Das jüdische Leben gehört zu uns. Es ist Teil unsere Identität.“
Diskriminierung und Ausgrenzung dürften in Deutschland keinen Platz haben. Wer Demonstrationen als Denkmantel nutze, „um seinen Hass auf andere Menschen, seinen Hass auf Juden auszuleben, der missbraucht unsere so wertvollen Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit“, sagte die Kanzlerin. „Wer Menschen, die eine Kippa oder eine Kette mit einem Davidstern tragen, anpöbelt, angreift oder krankenhausreif schlägt, der schlägt und verletzt uns alle.“
Der Kampf gegen Antisemitismus sei Pflicht des Staates und der Bürger. Anschläge auf Synagogen würden konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt - wie dies auch bei Anschlägen gegen Moscheen der Fall sei.
An der Veranstaltung unter dem Motto „Steh auf, nie wieder Judenhass“ nahmen auch Bundespräsident Joachim Gauck, SPD-Chef Sigmar Gabriel, mehrere andere Kabinettsmitglieder sowie Mitglieder jüdischer Gemeinden aus ganz Deutschland teil. Anlass waren judenfeindliche Äußerungen, die im Sommer bei Demonstrationen in Deutschland gegen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen laut geworden waren.
Graumann sagte, nie im Leben habe er sich vorstellen können, in Deutschland gegen Antisemitismus demonstrieren zu müssen. Nach den „schlimmsten antisemitischen Parolen auf deutschen Straßen seit vielen Jahrzehnten“ sei dies aber nötig.
Graumanns Rede war für viele Zuhörer nicht zu hören. Deswegen gab es Unmut und vereinzelt Pfiffe. In einem Interview forderte Graumann ein schärferes Vorgehen der Polizei gegen antisemitische Hetze im Internet. Viele, die im Internet gegen Juden Stimmung machten, schrieben unter richtigem Namen, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). „Es wäre gar nicht so schwer, sie zu belangen.“
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, warnte vor wachsender Intoleranz in Deutschland. Juden und Nichtjuden „stehen gemeinsam gegen Intoleranz, gegen Fanatismus, gegen Antisemitismus“, sagte er. In einem Gastbeitrag für „Bild am Sonntag“ schrieb Lauder: „Es braucht mehr Anstrengungen in den Schulen, in den Elternhäusern, bei den Fernsehsendern. Antisemitische Taten müssen besser erfasst werden. Die Dunkelziffer ist zu hoch.“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte den Juden in Deutschland zu: „Sie sind nicht allein. Wir stehen an Eurer Seite.“ Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Schneider, nannte Antisemitismus Gotteslästerung. Vertreter muslimischer Verbände traten nicht als Redner auf.