Merkel pfeift Gabriel in der Schuldenfrage zurück
Vizekanzler hatte für Lockerung des Sparkurses in den Euro-Krisenländern plädiert.
Berlin. Wenn Angela Merkel und Sigmar Gabriel getrennt durch die Welt fliegen, kann die schwarz-rote Regierungswelt schon mal durcheinandergeraten. Als sich der Wirtschaftsminister und SPD-Vizekanzler am Montag das Airbus-Werk im französischen Toulouse anschaute, plädierte er dafür, Schuldensündern in Europa mehr Zeit für ihren Sparkurs zu geben, wenn sie im Gegenzug konkrete Reformen anpacken. Das war natürlich ganz nach dem Geschmack der Gastgeber und anderer sozialistischer Regierungen in Europa. Der zu diesem Zeitpunkt fernab in Brasilien weilenden Fußball-Kanzlerin gefielen die Sätze ihres Stellvertreters ganz und gar nicht.
Denn es schien, als hätte die Bundesregierung mal eben einer Lockerung des europäischen Stabilitätspaktes und einer Abkehr von strikten Haushaltsvorgaben zugestimmt — so wie es Paris und Rom schon länger anstreben. Entsprechend groß war dort das Echo auf Gabriel. Vor allem die französische Regierung hat enorme Probleme, ihren Haushalt in den Griff zu bekommen und durchschlagende Reformen umzusetzen.
Auch Italiens Regierungschef Matteo Renzi fordert beim EU-Stabilitätspakt ausdrücklich mehr Flexibilität. „Wir können kein Geld ausgeben wegen des Stabilitätspaktes, der ein Pakt der Dummheit ist“, sagte er im März. Rom will die EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte dafür nutzen, nach harten Jahren des Sparens verstärkt Wachstumsimpulse in Europa zu setzen.
Grund genug für Merkel, das vor Kabinettssitzungen übliche persönliche Gespräch mit ihrem Vize am Mittwoch ausführlicher zu gestalten — und den Vorstoß öffentlich rasch zu kassieren. Wohl auch, um deutlich zu machen, wer die Richtung vorgibt. Merkel verdankt ihren Wahlsieg im Herbst auch der Auffassung vieler Wähler, dass der unnachgiebige Kurs der Kanzlerin in der Euro-Schuldenkrise den deutschen Steuerzahler vor noch größeren Lasten bewahrt habe.
Nach der Unterredung jedenfalls nutzte die Kanzlerin eine Pressekonferenz mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Mehdi Jomâa, um knapp und klar festzuhalten: „Wir sind uns einig: Es gibt keine Notwendigkeit, den Stabilitätspakt zu verändern.“ Der biete bereits die nötige Flexibilität. „Und“, schob Merkel nach, „das ist unsere gemeinsame Überzeugung.“ Gabriel selbst war um Klarstellungen bemüht. Niemand stelle den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt infrage — hoch verschuldeten Euro-Ländern sollte aber gegebenenfalls mehr Zeit zur Haushaltssanierung gewährt werden.