Wahlkampfendspurt Merkel und Schulz sehen noch mögliche Bewegung bis zur Wahl
Berlin (dpa) - Im Endspurt bis zur Bundestagswahl halten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Herausforderer Martin Schulz (SPD) noch Bewegung für möglich - ungeachtet des Umfrage-Vorsprungs der Union.
Merkel betonte im RTL-Sommerinterview: „Ich sage jedem und jeder, dass diese Wahl nicht entschieden ist.“ Koalitionspräferenzen ließ sie weiterhin nicht erkennen. „Die CDU hat keine einzige Stimme zu verschenken, und ich spreche mal für die CSU gleich mit.“ Schulz kündigte noch harte Auseinandersetzungen mit der Union bis zur Wahl an: „Ihr könnt Euch warm anziehen!“, sagte der SPD-Chef in Mannheim.
Merkel kritisierte die SPD erneut für das Offenhalten einer Koalition mit der Linkspartei. „Bei den Sozialdemokraten kann man leider fragen, wen man will und wann man will. Sie schließen niemals Rot-Rot-Grün aus.“ Sie halte dies für falsch. „Wir können uns jetzt in unruhigen Zeiten keine Experimente erlauben.“ In Umfragen kämen SPD, Linke und Grüne derzeit allerdings auf keine Mehrheit. Für die Union schloss Merkel abermals eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD aus. Zu teils heftigen Störaktionen bei ihren Wahlkampfauftritten sagte sie, dies nehme anderen auch die Möglichkeit, gut zuzuhören. „Deshalb find ich das nicht so toll. Aber das ist Demokratie.“
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) riet unzufriedenen Bürgern, lieber auf eine Stimme bei der Wahl zu verzichten, als AfD zu wählen. „Aber selbstverständlich“, antwortete er in einem Video-Interview der „Bild“-Zeitung (Dienstag) auf die Frage, ob ein Nicht-Wähler besser sei als ein AfD-Wähler. „Die AfD spaltet unser Land. Sie nutzt die Sorgen und die Ängste der Menschen aus. Und deshalb glaube ich, dass eine Stimme für die AfD — jedenfalls für mich — nicht zu rechtfertigen ist“. Er plädiere nicht für das Nicht-Wählen. Aber: „Es ist so, dass der Nicht-Wähler auch eine Meinung zum Ausdruck bringt.“
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kritisierte die Äußerungen. „Ich finde es falsch, Bürgern zu empfehlen, nicht zur Wahl zu gehen. Damit erreicht man nicht einen AfD-Wähler“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland sagte: „Das sind schöne Demokraten! Jetzt ruft ein Mitglied der Bundesregierung zum Wahlboykott auf.“
FDP-Chef Christian Lindner attackierte die AfD als populistische Provokationsmaschine, die sich aber nicht für die Arbeit an Konzepten und Gesetzestexten interessiere. „Die AfD ist sicher gefährlich, weil sie unser Volk für eine rassische, kulturelle und religiöse Einheit hält und Vielfalt bekämpft“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag). Im parlamentarischen Alltag sei die AfD aber „ein Schaf im Wolfspelz“. AfD-Chefin Frauke Petry warf der FDP vor, Unzufriedene mit ungedeckten Schecks zu ködern. Der am Wochenende beschlossene „Trendwende“-Plan sei eine „professionell vermarktete Luftnummer“.
Schulz will die Zuständigkeit für Migration und Integration künftig beim Arbeits- und Sozialministerium ansiedeln. Es sei falsch, dass das Thema ein „Anhängsel des Innenministeriums“ sei, sagte er beim Kongress des Bundesverbands des Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Stuttgart. Er schlug ein „Ministerium für Arbeit und Soziales, Migration und Integration“ vor.
In der ARD-Sendung „Wahlarena“ hatte er am Montagabend unter anderem versprochen, im Fall eines Wahlsieges in den ersten 100 Regierungstagen einen Kurswechsel in der Pflege einzuleiten. Dem „Reutlinger General-Anzeiger“ sagte Schulz: „Man kann die notwendigen Mittel entweder aus der Pflegeversicherung oder aus Steuern finanzieren. Darüber muss man diskutieren und schauen, was praktikabel ist.“