Kritiker werden eingebunden Merkel verjüngt die CDU-Riege im Kabinett

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel will die Riege der CDU-Minister in ihrem Kabinett deutlich verjüngen - und kommt damit ihren Kritikern weit entgegen.

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Die einzige, die das 60. Lebensjahr überschritten habe, sei sie selbst, sagte Merkel am Sonntagabend in Berlin am Rande von Gremiensitzungen. „Mit diesem Team kann man jetzt auch die Aufgaben der Zukunft angehen.“ Es biete Erfahrung und neu Gesichter in guter Mischung.

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Merkel will ihren konservativen Kontrahenten Jens Spahn (37) als Gesundheitsminister in die Kabinettsdisziplin einbinden. Zur neuen Bildungsministerin soll überraschend die nordrhein-westfälische Abgeordnete Anja Karliczek (46) berufen werden, die aus der Hotelbranche kommt und in der Bildungs- und Forschungsszene weithin unbekannt ist.

Der 45-jährige Merkel-Vertraute Helge Braun soll Kanzleramtschef werden, die gleichaltrige Julia Klöckner das Agrarressort übernehmen. Der bisherige Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der am Sonntag 57 Jahre alt wurde, geht dagegen ebenso leer aus wie der bisherige Innenminister Thomas de Maizière. Dies sei für sie eine schmerzliche Entscheidung gewesen, sagte Merkel.

Gröhe erklärte: „Natürlich hätte ich diese Arbeit gerne fortgesetzt. Aber ein Ministeramt ist stets ein Amt auf Zeit.“ Gröhe konnte während seiner Amtszeit Gesundheitspolitik mit prall gefüllten Kassen machen. Das könnte sich im Laufe der Legislaturperiode ändern, sodass die Herausforderungen für Spahn zunehmen dürften.

Vor allem die Jungen und Konservativen in der CDU hatten von Merkel eine Verjüngung und Erneuerung in Partei und Kabinett angemahnt. Allerdings dürften die Merkel-Vertrauten aus der CDU im Kabinett weiter in der Mehrheit sein. So soll die bisherige Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (51) Staatsministerin für Integration im Kanzleramt werden. Sie ist Chefin der Frauen-Union und gilt als Merkel-Anhängerin.

Die zuletzt heftig kritisierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (59) soll im Amt bleiben. Der bisherige Kanzleramtschef Peter Altmaier (59) wird Wirtschaftsminister. Der niedersächsische Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt soll als Nachfolger von Braun künftig in der Regierungszentrale unter anderem für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern zuständig sein. Auf die Frage, weshalb sie keinen Minister aus den neuen Ländern berufen habe, sagte Merkel, sie komme aus einem ostdeutschen Land und zähle durchaus auch zum Kabinett.

Das Personaltableau Merkels steht unter dem Vorbehalt, dass die SPD-Mitglieder grünes Licht für eine Neuauflage der großen Koalition geben. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles geht davon aus, dass die Zustimmung dazu höher ausfallen könnte als angesichts der großen Zahl von Kritikern in der SPD allgemein erwartet.

Auch die CDU-Chefin setzt darauf, dass die Werbetour der SPD-Führung an der Parteibasis erfolgreich ist. Zum jetzigen Zeitpunkt wolle sie sich nicht darauf festlegen, ob sie andernfalls eine Minderheitsregierung bilden werde, sagte Merkel. Ob sich die SPD-Basis beim Mitgliederentscheid für oder gegen eine neue große Koalition ausgesprochen hat, soll am kommenden Sonntag bekannt gegeben werden.

An diesem Montag sollen rund 1000 CDU-Delegierte auf einem Sonderparteitag dem Koalitionsvertrag mit CSU und SPD zustimmen und Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin von Peter Tauber zur Generalsekretärin wählen.

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink sagte der dpa, sollte Spahn berufen werden, werde dies „das Vertrauen der SPD-Mitglieder in eine GroKo nicht erhöhen“. Mit Spahn werde zwar ein Kenner der Materie Gesundheitsminister. Aber er sei mitverantwortlich für den Reformstau bei Pflege und Digitalisierung unter Schwarz-Gelb.

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte der dpa, Merkel trage Spahn das Gesundheitsministerium nur an, um ihn aufs Abstellgleis zu stellen. Dieser Posten sei die „schlimmste Strafe für einen echten Konservativen“.

Das Ringen um eine Erneuerung in Partei und Kabinett ist zugleich ein Richtungsstreit um die Frage, ob die CDU und die Union insgesamt wieder weiter nach rechts rücken soll. Unter Merkel hatte die Partei manche konservative Position geräumt. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag): „Die Kunst besteht in der richtigen Mischung zwischen Jungen und Erfahrenen. ... Der Mix macht's.“

Der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, forderten ein konservativeres Profil der Union. Beide begründeten dies in den Funke-Zeitungen und der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag) auch mit dem Wunsch, zur AfD abgewanderte Wähler zurückzugewinnen. Aber auch Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther räumte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) ein: „Manchmal könnte das Konservative der Union gern kräftiger hervortreten.“

Der designierte Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte der dpa, er halte eine Neuwahl für „eine große Gefahr“. Deutschland könne sich das „in der jetzigen Situation auch nicht leisten, weil es ein klares Signal wäre, dass es in Deutschland keine stabilen politischen Verhältnisse mehr gibt“.