Merkels Koalition und der betäubte Bundestag
Schwarz-Rot schließt die Reihen, die Miniopposition von Linken und Grünen ist zerstritten.
Berlin. Falls der US-Geheimdienst NSA am Mittwochvormittag die Internet- und Handyverbindungen aller Bundestagsabgeordneten und Kabinettsmitglieder erfasst haben sollte, dürfte er ein stark erhöhtes Datenvolumen registriert haben. Während der Aussprache über den Haushalt der Bundeskanzlerin wurde auf den Bänken im Bundestag gesimst und gegoogelt, was das Zeug hielt. Die große Koalition hat das Parlament betäubt — und die Mini-Opposition ist hilflos.
Die Generalaussprache über den Bundeshaushalt zeigte: Union und SPD haben nach den Anfangsschwierigkeiten um den Fall Edathy und den Rücktritt von Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) jetzt einen Gleichklang gefunden und ziehen wie ein mächtiger Strom durch die deutsche Politik. Das konnte man auch auf der Regierungsbank sehen, wo sich Angela Merkel (CDU) ausgesprochen nett immer wieder mit Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) unterhielt.
Die Kanzlerin listete in ihrer Rede alle wichtigen Vorhaben der Koalition auf. Wachstum und Wohlstand für Deutschland und zum ersten Mal ein Etat ohne strukturelles Defizit, 2015 sogar mit einer schwarzen Null — das waren ihre zentralen Botschaften. Was sonst der erste Ansatzpunkt einer Opposition ist, Meinungsverschiedenheiten, gar Streit in einem Regierungsbündnis, waren nicht zu finden.
Die Miniopposition im Bundestag ist derweil zerstritten. Grüne und Linke haben sich seit dem Dissens über die Ukraine-Krise wenig zu sagen. Keine Hand rührte sich bei den Grünen, als die Linken-Vorsitzende Katja Kipping als erste ans Pult ging und Merkels Politik angriff. Was allerdings wohl auch an Kippings Rede lag, die zwischen überzogen und emotional schwankte. Sie kritisierte, die große Koalition mache Politik nur für die Reichen.
Umgekehrt klatschten auch die Linken nur zwei, drei Mal unentschlossen beim Redebeitrag der grünen Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die schon eher wunde Punkte der großen Koalition traf.
Es gebe trotz der übergroßen Mehrheit von Union und SPD „keine einzige neue Idee“, der Koalitionsvertrag ähnele dem Spiel „Wünsch dir was“ und gehe, wie etwa das Rentenpaket, zulasten der jungen Generation, so Göring-Eckardt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wies die Grüne streng zurecht. Sie rede an den Empfindungen der übergroßen Mehrheit der Deutschen vorbei. „Das Land steht ausgesprochen gut da.“
Merkel, vorne auf der Regierungsbank, konnte sich da ein Grinsen nicht verkneifen. Im letzten Jahr noch hatte sie der SPD vorgeworfen, das Land schlechtzureden und den wirtschaftlichen Erfolg nicht anzuerkennen. Unter heftigem Protest — auch von Oppermann.