Mindestlohn per Gesetz: Chance oder Jobkiller?
Forderung der SPD gilt als ein Knackpunkt in den Verhandlungen über eine große Koalition.
Berlin. Ob er kommt — und wenn ja, wie — ist noch offen. Doch schon jetzt erhitzt ein gesetzlich geregelter einheitlicher Mindestlohn von 8,50 Euro die Gemüter. Das Thema gilt als ein Knackpunkt in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.
Zwischen fünf und acht Millionen Beschäftigte — je nachdem, ob Schüler, Studierende und Rentner mit einbezogen werden — arbeiten in Deutschland für weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Das ist ein Fünftel bis ein Viertel aller Beschäftigten. 1,3 Millionen Niedriglöhnern, darunter 350 000 Vollzeitbeschäftigten, stockt der Staat den Verdienst auf, weil das Einkommen zum Leben nicht reicht.
Ja, inzwischen haben zwölf Branchen mit etwa vier Millionen Beschäftigten allgemeinverbindliche Mindestlöhne eingeführt, zum Beispiel das Baugewerbe, das Elektrohandwerk oder die Steinmetze. Allgemeinverbindlich heißt: Diese Löhne müssen alle Betriebe zahlen, auch wenn sie nicht dem Arbeitgeberverband angehören.
Laut Gewerkschaften würde es durch einen gesetzlichen Mindestlohn besonders in der Dienstleistungsbranche Veränderungen geben. So müsste etwa im Einzelhandel, in der Gastronomie oder im Taxigewerbe die Bezahlung angehoben werden. In diesen Bereichen liegen die Stundenlöhne für einfache Tätigkeiten oft unter 8,50 Euro.
Nach Ansicht der Gewerkschaften bringt ein Mindestlohn von 8,50 Euro mehr Gerechtigkeit und verringert die Kluft zwischen Arm und Reich. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden dadurch zudem 5,6 Millionen Beschäftigte eine Lohnerhöhung erhalten — im Schnitt um 35 Prozent. Das würde auch den Konsum ankurbeln. Davon profitierten außerdem die Sozialkassen sowie der Fiskus, der weniger Geld an Aufstocker überweisen müsste.
Das befürchten zumindest die Top-Wirtschaftsforscher in ihrem Herbstgutachten. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) besteht besonders im Osten ein hohes Risiko, dass bei einheitlich 8,50 Euro Mindestlohn Arbeitsplätze verloren gehen. Nach einer Studie von Forschern der TU Dresden und FU Berlin könnten im schlimmsten Fall sogar 800 000 Stellen wegfallen. Gut zwei Drittel davon wären Mini-Jobs.