Quarantäne Ministerpräsidentenwahl gefährdet? - Thüringer CDU-Politiker unter Coronavirus-Verdacht
Düsseldorf · Im zweiten Anlauf soll in Thüringen ein Ministerpräsident gewählt und die Regierungskrise beendet werden. Das Vorhaben gilt als riskant. Doch nun ist fraglich, ob die Wahl überhaupt stattfinden kann.
Ein Coronavirus-Verdacht im Landtag gefährdet die an diesem Mittwoch geplante Ministerpräsidentenwahl in Thüringen. Ein 56-jähriger CDU-Landtagsabgeordneter befindet sich in Quarantäne, weil der Verdacht besteht, dass er sich im Winterurlaub in Italien mit dem neuartigen Corona-Virus infiziert hat. Ein Testergebnis wurde für Dienstagabend erwartet. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wird die für Mittwoch angesetzte Wahl eines neuen Regierungschefs nach Angaben von Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) verschoben.
Die Landtagssitzung werde in diesem Fall „natürlich“ abgesagt, weil bei einem positiven Testergebnis nicht auszuschließen sei, dass der Parlamentarier auch andere Abgeordnete bereits infiziert habe, sagte Keller am Dienstag in Erfurt der Deutschen Presse-Agentur. Unter diesen Umständen eine Landtagssitzung abzuhalten, berge das Risiko, auch andere Menschen in Gefahr zu bringen. „Da müssen wir reagieren. Wir nehmen die Situation ernst.“
Der Politiker zeige keine Symptome, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Dienstag. Er gehörte laut CDU-Kreisen zu der Verhandlungsgruppe, die den „Stabilitätsmechanismus“ mit Linken, SPD und Grünen ausgehandelt hatte, der dafür sorgen soll, dass eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung sich auf projektbezogene Mehrheiten stützen kann. Die Gespräche darüber fanden zwischen dem 17. und dem 21. Februar im Landtag statt.
Zuvor war der Parlamentarier in den Winterferien mit einer Gruppe von Skifahrern in Italien unterwegs gewesen, wie ein Sprecher des Thüringer Gesundheitsministeriums berichtete. Die Gruppe kehrte am 14. Februar zurück. Ein Skifahrer aus der Gruppe, ein 57-jähriger Mann aus dem ostthüringischen Saale-Orla-Kreis, ist nachweislich mit dem Virus infiziert. Der letzte Kontakt zwischen dem Abgeordneten und dem infizierten Mann bestand am 14. Februar. Die Inkubationszeit bei einer Infektion mit dem Virus beträgt 14 Tage.
Einen Monat nach dem Desaster bei der Ministerpräsidentenwahl will sich der frühere Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) an diesem Mittwoch erneut zur Wahl stellen. Für die AfD tritt Partei- und Fraktionschef Björn Höcke an. Ein erster Anlauf am 5. Februar endete in einem Desaster. Damals wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt, was bundesweit für Entrüstung und Proteste sorgte. Drei Tage nach seiner Wahl trat Kemmerich zurück und ist seitdem geschäftsführend im Amt - ohne Minister.
Sollte die Wahl am Mittwoch plangemäß stattfinden, will die FDP-Fraktion den Plenarsaal verlassen, um damit ihre Ablehnung von Ramelow und Höcke zum Ausdruck zu bringen. „Wenn Sie dokumentieren wollen, dass Sie beide Kandidaten ablehnen, können Sie an dem Wahlgang nicht teilnehmen“, sagte der Sprecher der Thüringer FDP-Fraktion, Thomas Philipp Reiter. Zuvor hatte „Bild“ darüber berichtet. Reiter kritisierte, dass die Stimmzettel keine Nein-Stimmen vorsähen. „Eine Enthaltung ist kein Nein“, erklärte er. Nach seinen Angaben gibt es einen Fraktionsbeschluss zu dem Vorgehen.
Die CDU-Fraktion hingegen will bei der Ministerpräsidentenwahl anwesend sein, wie mehrere Abgeordnete sowie CDU-Fraktionschef Mario Voigt betonten. Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, hatte die Thüringer CDU-Landtagsabgeordneten zuvor aufgefordert, der Wahl des Ministerpräsidenten fernzubleiben.
Im ersten und zweiten Wahlgang ist bei der Wahl eine absolute Mehrheit nötig - also 46 Stimmen. Laut Landtagsverwaltung gilt das auch, wenn nicht alle Abgeordneten im Plenarsaal anwesend sind. Laut Thüringer Landesverfassung ist die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Landtages nötig. Ramelows Wunschbündnis aus Linken, SPD und Grünen kommt zusammen im Parlament nur auf 42 Sitze. Ramelow bräuchte in den ersten beiden Wahlgängen also vier Stimmen von der CDU oder der FDP.