Nach Kommunismus-Vorstoß: Absage von SPD und Grünen
Berlin (dpa) - SPD und Grüne gehen wegen der Kommunismus-Äußerungen von Gesine Lötzsch auf Distanz zu Koalitionen mit der Linkspartei im Bund nach der Wahl 2013.
„Wer glaubt, den Kommunismus ausprobieren zu müssen, sei es in der Opposition oder gar in einer Regierung, dem kann wohl niemand mehr helfen“, sagte der SPD- Vorsitzende Sigmar Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“. Auch die Grünen bezweifeln die Regierungsfähigkeit der Linkspartei.
Gabriel legte unzufriedenen Linke-Mitgliedern, „die diesen Unsinn leid sind“, einen Wechsel zur SPD nahe. Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schloss im Berliner „Tagesspiegel“ ein Bündnis für den Fall aus, dass sich Linke-Führungskräfte zum Kommunismus bekennen.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte dem „Hamburger Abendblatt“ (Montag), für eine Koalition müsse die Linke vorher eindeutig klären, „wie sie zu ihren Geistern der Vergangenheit steht“. Er fügte hinzu: „Eine Parteichefin, die den Kommunismus beschwört und ein Ex-Parteichef, der innerparteiliche Diskussionen per Satzungsänderung verhindern will, lassen doch berechtigte Zweifel aufkommen, inwieweit sich die Linkspartei in ihrer Gesamtheit allen Grundprinzipien der Demokratie verpflichtet fühlt.“
Lötzsch selbst setzte sich erneut zur Wehr. Vorwürfe, sie sei keine Demokratin, bezeichnete sie als „Unverschämtheit“. Die heftigen Reaktionen auf ihre Kommunismus-Thesen nannte sie „hysterisch“. Die Parteichefin hatte in der linksradikalen „Jungen Welt“ geschrieben: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“
Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin sagte Lötzsch am Samstag, sie sei in dem Artikel zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kapitalismus „nicht das Ende der Geschichte ist“ und dem demokratischen Sozialismus die Zukunft gehöre. So stehe es auch im Programmentwurf der Linken, die das Land mit demokratischen Mitteln grundsätzlich verändern wolle.
Zugleich wehrte sich Lötzsch gegen Kritik von Linke-Fraktionschef Gregor Gysi. Dieser habe zwar Recht mit seiner Ansicht, dass Menschen beim Begriff Kommunismus an Stalin und die Mauer dächten. „Gysi hat aber nicht Recht, wenn er meint, dass man den Begriff des Kommunismus nicht mehr verwenden darf.“ An einer Podiumsdiskussion mit der früheren RAF-Terroristin Inge Viett und der Vorsitzenden der Deutschen Kommunistischen Partei, Bettina Jürgensen, nahm Lötzsch aber dann doch nicht mehr teil.
Gysi wiederholte beim Parteitag der Hamburger Linken seine Kritik, nahm die Politikerin aber auch in Schutz. „Man hätte den einen oder anderen Satz anders formulieren können, und ein oder zwei Sätze fehlen auch“, sagte er. „Aber ihr etwas zu unterstellen, was sie nicht gesagt hat, ist grob unfair.“ Die Linke habe sich bewusst entschieden, keine kommunistische Partei zu sein.
Fraktionsvize Dietmar Bartsch sagte im Deutschlandradio Kultur: „Wir haben uns auf den Weg gemacht 1989 und unwiderruflich mit stalinistischen Methoden gebrochen. Das muss ganz, ganz klar sein.“ Der frühere Linke-Bundesvorsitzende und jetzige Saar-Fraktionschef Oskar Lafontaine sagte „stern.de“: „In Deutschland werden mit dem Kommunismus der Mauerbau und die Verbrechen Stalins verbunden. Damit hat die Linkspartei nichts am Hut.“
FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der „Welt am Sonntag“: „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass wir im Deutschen Bundestag eine Parteivorsitzende haben, die ernsthaft dazu aufruft, wieder Wege in Richtung Kommunismus zu probieren.“ Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „So lange die SPD mit den Linken in Berlin, Brandenburg oder auch in Nordrhein-Westfalen zusammenarbeitet, ist die Aussage des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel nicht glaubwürdig.“
Mehrere tausend Menschen, darunter Spitzenpolitiker der Linken, erinnerten am Sonntag an die Ermordung der Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor 92 Jahren. Sie zogen wie in jedem Jahr an der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde vorbei. Viele legten rote Nelken und Kränze nieder. Nach Angaben der Linken kamen wie im Vorjahr insgesamt rund 40 000 Menschen. Zudem trafen sich Hunderte linke und linksradikale Gruppen, um ebenfalls zur Gedenkstätte zu ziehen.