Nach NSA-Affäre: Kabinett legt BND an kürzere Leine

Berlin (dpa) - Als Konsequenz aus dem Skandal um Spionage unter Freunden legt das Kanzleramt den Bundesnachrichtendienst (BND) an eine kürzere Leine.

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Das Kabinett verabschiedete am Dienstag den Entwurf für ein neues Gesetz, das die Kontrolle und die Arbeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes auf eine neue rechtliche Grundlage stellen soll. Das Gesetz muss noch vom Bundestag verabschiedet werden. Eine Zustimmung der Koalitionsfraktionen von Union und SPD gilt nach monatelangen Verhandlungen als sicher. Schwere verfassungsrechtliche Bedenken kamen von den Grünen.

Kernpunkt des BND-Gesetzes ist eine neue externe Kontrollinstanz. Der BND war im Zusammenhang mit der weltweiten Datenschnüffelei des US-Geheimdienstes NSA und eigenen Abhöraktionen gegen befreundete Staaten in die Kritik geraten. Das neue Kontrollgremium besteht aus zwei Richtern und einem Bundesanwalt am Bundesgerichtshof. Die Juristen sollen vom Kanzleramt über brisante Aktionen informiert werden und über Spionage gegen Einrichtungen der Europäischen Union oder ihrer Mitgliedstaaten entscheiden.

Ausdrücklich erlaubt werden dem BND Abhöraktionen auch gegen die EU oder Einrichtungen ihrer Mitgliedstaaten. Dafür gibt es aber hohe Hürden: Auch diese Aktionen müssen vom BND-Präsidenten oder einem Vertreter angeordnet und vom Kanzleramt und den externen Kontrolleuren genehmigt werden. Anlass können der Kampf gegen Terror, illegalen Waffenhandel oder Schleuserkriminalität sein. Ein weiterer Grund ist das Sammeln von Informationen, „die von besonderer Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind“.

Die neuen BND-Regeln sollen gemeinsam mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für eine bessere parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste in die parlamentarische Beratung eingebracht werden. Der Bundestag soll noch in diesem Jahr zustimmen, damit das BND-Gesetz wie geplant am 1. Januar 2017 in Kraft treten kann.

Die Grünen-Geheimdienstexperten Konstantin von Notz und Hans-Christian Ströbele bezweifelten, ob das Gesetz verfassungsgemäß ist. Statt Massenüberwachung und Grundrechtsverletzungen zu stoppen, würden die BND-Praktiken legalisiert, kritisierten die Abgeordneten.

SPD-Fraktionsvize Eva Högl sprach dagegen von einem Quantensprung für die Kontrolle des BND. Im Kanzleramt hieß es, für die BND-Mitarbeiter werde Rechtssicherheit geschaffen, ohne die Handlungsfähigkeit des Dienstes angesichts weltweiter Krisen einzuschränken.

Kernpunkte des BND-Gesetzentwurfs:

- UNABHÄNGIGE KONTROLLE: Mit dem externen „Richter-Gremium“ reagiert die Regierung auf Vorwürfe, der BND habe ein unkontrollierbares Eigenleben entwickelt. Die Kontrolleure sollen beim Bundesgerichtshof angesiedelt werden und stichprobenartig jederzeit die vom BND in Telekommunikationsnetzen eingesetzten Spionage-Suchbegriffe (Selektoren) prüfen können. In der NSA/BND-Affäre war kritisiert worden, dass der BND auch unzulässige Begriffe etwa gegen befreundete Staaten verwendet hat.

- VERANTWORTUNG: Anders als bisher muss das Kanzleramt auf Antrag des BND-Präsidenten oder eines Vertreters die Spionage in internationalen Telekommunikationsnetzen künftig anordnen. Damit sollen klare Verantwortlichkeiten sichergestellt werden. Früher waren auch heikle Überwachungsmaßnahmen von niedriger BND-Ebene genehmigt worden.

- WIRTSCHAFTSSPIONAGE: Ausdrücklich festgeschrieben wird, was schon gilt: Spionage mit dem Ziel von Wettbewerbsvorteilen für deutsche Unternehmen ist verboten. Es heißt aber auch: „Die Aufklärung von wirtschaftspolitisch bedeutsamen Vorgängen kann erforderlich sein.“

- ZUSAMMENARBEIT MIT AUSLÄNDISCHEN GEHEIMDIENSTEN: Die Kooperation mit internationalen Partnerdiensten wie der NSA wird unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Ziel müssen etwa der Anti-Terror-Kampf, die Unterstützung der Bundeswehr im Auslandseinsatz oder Informationen zur Sicherheitslage von Deutschen im Ausland sein.

- KOSTEN: Die Bundesregierung rechnet mit jährlichen Mehrkosten von mindestens knapp 6,5 Millionen Euro durch das Gesetz. Davon entfallen 3,5 Millionen auf Personal- und Sachkosten beim Bundesgerichtshof und beim Generalbundesanwalt sowie 2,6 Millionen Euro auf den BND.