Elternzeit: Die Angst davor, mal nur Vater zu sein

„Vater ist, was du draus machst“, heißt eine neue Kampagne in NRW. Ein Rundgang durch Unternehmen zeigt: Vater sein hängt auch an den Arbeitgebern.

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Düsseldorf/Köln. Florian Michajlezko zieht kein Jacket an, egal, was für einen Termin er hat. Nicht einmal wenn die Familienministerin von Nordrhein—Westfalen in seinem Unternehmen Halt macht. Michajlezko ist Gründer und Geschäftsführer von „Fond of Bags“, einem Start-Up-Unternehmen aus Köln, das sich auf Taschen und Rücksäcke spezialisiert hat. Er sieht sich als modernen, lockeren Chef und sein Unternehmen als innovativ in vielerlei Hinsicht. Etwas, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Deswegen war Familienministerin Christina Kampmann (SPD) zu Besuch.

Michajlezko hat selbst eine Tochter im Alter von neun Monaten. Er weiß, wie das als Vater ist. Seinen 150 Mitarbeitern, die im Schnitt 32,4 Jahre alt sind — im passenden Alter für die Gründung einer Familie also — rät er unbedingt dazu, sich die Zeit für die Kinder zu nehmen. Er freue sich für jeden Mitarbeiter, wenn der ein Kind bekäme, sagt er. „Keine Firma der Welt könnte wichtiger sein als die Familie.“ Deswegen seien auch bisher alle Väter und Mütter in Elternzeit gegangen — und viele Mitarbeiter könnten auch Teilzeit oder von zu Hause arbeiten.

Das ist aber noch die Ausnahme in NRW. Der Anteil der Väter, die hier in Elternzeit gehen, liegt bei 26,8 Prozent. Der Anteil der Väter, die in Teilzeit arbeiten liegt bei sechs Prozent (Bei Müttern: 49 Prozent). Kampmann nennt das „marginal“. Die Familienministerin sieht vor allem die Arbeitgeber in der Pflicht, mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu tun. Dort bestehe der meiste Druck auf die arbeitnehmenden Eltern. Das betrifft vor allem Väter. Laut Zahlen des Familienministeriums NRW verringern 60 Prozent der Väter ihre Arbeitszeit nicht wegen des Arbeitsaufkommens. 32 Prozent nennen den Arbeitgeber selbst als Grund und 28 Prozent finanzielle Gründe. Dabei sei die Flexibilität der Arbeitszeiten einer der wichtigsten Schritte, um Kariere und Familie verbinden zu können, so Kampmann.

Sie sieht das Problem aber auch in der Gesellschaft insgesamt verortet. Väter würden zwar gerne mehr Zeit mit den Kindern verbringen, aber sie hätten Angst vor beruflichen Nachteilen. Es herrsche immer noch ein veraltetes Rollenbild vor, das auch in die Firmen hineinstrahle. Und: es würde ihnen vielfach nicht zugetraut, sich liebevoll um die Kinder zu kümmern. Deswegen startet das Familienministerium jetzt die Kampagne „Vater ist, was du draus machst“, um das Dilemma in die Öffentlichkeit zu rücken.

Bei einem Rundgang durch Betriebe in NRW hat sich Kampmann angesehen, welche Lösungen heimische Unternehmen anbieten. Bei der Traditionsfirma Henkel in Düsseldorf etwa. Dort hat man schon vor 76 Jahren eine Betriebskita eingerichtet. Heute gibt es drei, mit 240 Plätzen bei 5500 Mitarbeitern am Standort Düsseldorf. Kirsten Sánchez Marín, Leiterin des Diversitätsbereichs, sagt Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe eine lange Geschichte bei Henkel. So habe die Firma 2012 eine Charta für „Work-Life Flexibilty“ unterzeichnet, um die Akzeptanz von flexiblen Arbeitsmodellen zu erhöhen und diese aus den Chefetagen heraus umzusetzen. Das sei wichtig, so Sánchez Marín. Denn während vor einigen Jahren in Bewerbungsgesprächen noch Gehalt und Arbeitsinhalte im Mittelpunkt gestanden hätten, ginge es heute um Flexibilität und Familienfreundlichkeit.

Gerade für Väter sei es aber schwer, sagt Thoralf Bock, der die Digitalisierungsprozesse bei Henkel betreut. Bock leitet das Väternetzwerk bei Henkel. Er kennt die Verunsicherung. Zwar würden immer mehr Väter Elternzeit nehmen, aber sie sähen sich noch immer als „schwaches Geschlecht“ bei der Kindererziehung. So suchen Väter vor allem Bestätigung in Sachen Elternzeit.

Für Kampmann ist es klar: das Vatersein muss von oben vorgelebt werden. Michajlezko von „Fond of Bags“ hat zwar selbst eine Tochter. Er weicht der Frage nach der eigenen Elternzeit aber lange aus. „Meine Tochter hat definitiv meine Arbeitszeit verändert“, sagt er. Und: „Die Familie ist erste Priorität“. Nach einigem Nachhaken räumt er aber ein, Elternzeit habe er nicht genommen. Auch wenn er seine Mitarbeiter ermutigt und viel möglich macht. Er selbst zeigt, wo es noch hapert — nämlich dort, wo Männer in Führungspositionen zumindest zeitweise vor allem eines sein sollen: Väter.