Nahles will grundlegend flexiblere Arbeitswelt

Berlin (dpa) - Arbeitnehmer in Deutschland sollen nach dem Willen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) künftig weitaus flexibler als bisher arbeiten können.

Foto: dpa

Der Vollzeit-Einsatz am festen Arbeitsplatz hat ihrer Ansicht nach für viele ausgedient, wie Nahles bei einer Veranstaltung zur Zukunft der Arbeit in Berlin deutlich machte.

„Die Technik bietet inzwischen immer mehr Möglichkeiten, zeitlich und räumlich flexibel zu arbeiten.“ Viele wären laut Nahles gerne häufiger im Homeoffice tätig. Dabei herrsche in vielen Betrieben Anwesenheitskultur, kritisierte sie. Nahles kündigte ein „Wahlarbeitszeit“-Modell mit verschiedenen Bausteinen an.

Als Beispiel für flexiblere Arbeitsorganisation führte Nahles einen Malerbetrieb an: Über eine App könnten die Handwerker hier ihre einzelnen Einsätze online buchen. „Die App zeigt an, welche Arbeiten gerade geleistet werden und dokumentiert die Arbeitszeit.“ Die Arbeitszeit könne so freier gestaltet werden. Nahles kündigte an, bis Spätsommer einen „Arbeitszeitdialog“ mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen führen zu wollen.

Zudem solle der Wechsel von Teilzeit etwa zur Kindererziehung zurück in den Vollzeitjob erleichtert werden. Dazu plane die Koalition ein Recht auf Rückkehr in die frühere Arbeitszeit.

Nahles sprach sich zudem mittelfristig für ein Recht auf Weiterbildung aus. „In der digitalen Wirtschaft sind alle darauf angewiesen, dass auch jenseits des konkreten Bedarfs weitergebildet wird“, sagte sie. Betriebe, Betroffene und Gesellschaft müssten dies gemeinsam finanzieren.

Gestärkt werden müsse die Absicherung der Selbstständigen im Alter, forderte Nahles. Betroffene mahnte sie, nicht einfach auf die Grundsicherung zu vertrauen: „Das wird alles nachher verrechnet, hier haben viele völlig falsche Vorstellungen, wie das nachher läuft.“ Möglich sei die Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für Kleinselbstständige oder die Bildung eines berufsständischen Versorgungswerks.

Heute sind viele Arbeitnehmer mit der eigenen Arbeitssituation unzufrieden, wie aus einer vom Arbeitsressort geförderten Studie hervorgeht. Nur für knapp ein Fünftel der Befragten entspricht die eigene Arbeitssituation demnach in etwa dem persönlichen Idealbild von Arbeit. 45 Prozent der Befragten sehen die eigene Lage weit davon entfernt. In den Augen der Befragten hat sich die Arbeitswelt seit den 90er Jahren vom Ideal entfernt.

Konkrete Vorschläge zur Gestaltung der Arbeitswelt will Nahles in diesem Jahr in einem Weißbuch unter dem Motto „Arbeit 4.0“ zusammenfassen. Nötig seien Kompromisse zwischen Wirtschaft, Arbeitnehmern, gesellschaftlichen Akteuren und Staat.

Geändert hat sich unter anderem die Bedeutung von Zweitjobs. Innerhalb von neun Jahren (2006 bis 2015) stieg die Zahl derer, die im Nebenjob einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, um 52 Prozent: von 1,63 auf 2,48 Millionen, wie die „Thüringer Allgemeine“ (Dienstag) unter Berufung auf eine Antwort des Arbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag schrieb. Die Gesamtzahl der Minijobs ist demnach zwar nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes im vergangenen Jahr gesunken, die Zahl der Minijobber im Nebenerwerb ist bis Juni 2015 aber weiter gestiegen.