Neue Pflegeversicherung wird zum Kraftakt
Die Notwendigkeit einer Reform ist unstreitig. Aber wie soll diese finanziert werden?
Berlin. Begriffe sind interpretierbar: „Zeitnah“ hatte die schwarz-gelbe Koalition nach der Bundestagswahl 2009 Vorschläge für eine große Pflegereform machen wollen. So stand es im Koalitionsvertrag.
Jetzt hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ein neues Datum ausgegeben: Am 23. September soll ein gemeinsames Konzept vorgestellt werden, das die 1995 eingerichtete Pflegeversicherung den Anforderungen der nächsten Jahrzehnte anpasst. Die Einigung fällt offensichtlich schwer.
Zu weit auseinander liegen die Vorstellungen: Während aus dem Arbeitgeberlager, inzwischen unterstützt von der CSU, die Forderung kommt, die Pflegeversicherung dürfe nicht mehr kosten, sagt Gesundheitsminister Bahr: „Auch Leistungsverbesserungen, die Geld kosten, müssen auf den Tisch.“ Zumindest billiger werde es nicht.
Allein in den vergangenen zehn Jahren sind die Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung um ein Viertel auf über 20 Milliarden Euro in 2010 gestiegen. Diese Dynamik dürfte sich fortsetzen, denn die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt zu: von heute 2,4 Millionen auf knapp 4,4 Millionen im Jahr 2050.
Darunter werden auch viele Demenzkranke sein, deren Betreuung heute nicht ausreichend von der Pflegeversicherung abgedeckt ist. So ist es ein Ziel der schwarz-gelben Koalition, die Betroffenen künftig besser zu versorgen.
Die gesetzliche Pflegeversicherung finanziert sich derzeit über eine Umlage: Die Beiträge fließen sofort ab, um die Leistungen zu bezahlen. Union und FDP hatten im Koalitionsvertrag festgelegt, ergänzend dazu eine kapitalgedeckte Säule aufzubauen.
Gestritten wird augenblicklich über das Ziel, dass es eine „individualisierte“ Kapitaldeckung sein soll, so die Koalitionsvereinbarung. Das liefe auf eine Art Pflege-Riester hinaus. Für viele Experten ist dies wenig sinnvoll, da nicht jeder Versicherte pflegebedürftig werden wird.
So plädiert Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) dafür, den Kapitalstock kollektiv anzusparen. Dies müsste dann aber so abgesichert werden, dass der Bundesfinanzminister keinen Zugriff auf dieses Geld erhält — etwa für den Schuldenabbau.